RECHTSANWALTSKANZLEI Anja Pankow
Rechtsanwältin • Fachanwältin Familienrecht • Mediatorin
 

Presseartikel

 
  In dieser Rubrik finden Sie Presseartikel mit aktuellen Rechtstipps aus den Bereichen Familienrecht, Erbrecht und Arbeitsrecht. Diese wurden im „Erzgebirge Kurier“ veröffentlicht.


28.09.2022  Endlich Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren

Das Dilemma ist so alt, solange es Gerichte gibt. Was kann ich tun, wenn zwar am Ende eines Gerichtsverfahrens eine Entscheidung vorliegt, das Verfahren aber zu lange dauerte und mir daraus Nachteile entstanden?

Wenn z. B. ein Bauunternehmer hohe offene Forderungen einklagen muss, ist klar, dass ...  Weiter lesen
Das Dilemma ist so alt, solange es Gerichte gibt. Was kann ich tun, wenn zwar am Ende eines Gerichtsverfahrens eine Entscheidung vorliegt, das Verfahren aber zu lange dauerte und mir daraus Nachteile entstanden?

Wenn z. B. ein Bauunternehmer hohe offene Forderungen einklagen muss, ist klar, dass die Existenz des Unternehmens gefährdet sein könnte, wenn das Verfahren zu lange dauern würde. Ähnlicher Zeitdruck besteht auch, wenn es z. B. um den Aufenthalt eines Kindes oder um Umgang geht. Dort hilft es dem Betroffenen wenig, wenn zwar am Ende eine Entscheidung vorliegt, jedoch mittlerweile eine Entfremdung zum Kind eingetreten ist.

Der deutsche Gesetzgeber reagierte erst nach langjährigem Druck seitens des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG). In diesem lässt sich nun folgendes nachlesen: „Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt“.

Ein solcher Nachteil kann schon bei nervlicher Belastung, nicht erst bei wirtschaftlichen Schäden, vorliegen. Voraussetzung für einen solchen Entschädigungsanspruch ist allerdings, dass der Betroffene im Ursprungsverfahren eine Verzögerungsrüge erhebt, sobald er von einer zögerlichen Sachbehandlung des Gerichtes ausgeht. Diese Rüge ist zunächst nur eine Anregung / ein Hinweis, das Verfahren zu beschleunigen. In den meisten Fällen gen¨gt dieses Warnsignal erfreulicherweise, da die meisten Richter natürlich korrekt arbeiten und dies nicht persönlich nehmen, sondern diese Rüge zum Anlass nehmen, die Sache zu prüfen.

Genügt auch dies nicht, macht es in gravierenden Sachen durchaus Sinn, fristgemäß Entschädigungsklage gemäß der §§ 198 ff. GVG zu erheben. Zwar sieht das Gesetz als Orientierungsgröße nur eine Pauschale von 100,00 € je Monat der Verzögerung vor. Selbst dieser geringe Ansatz führte z. B. bei einem im Jahr 2019 beim OLG Dresden geführten Entschädigungsverfahren dazu, dass der Freistaat Sachsen als Dienstherr eine Entschädigung in Höhe von 5.500,00 € an das klagende Kind zahlen musste, da das zuvor beim Amtsgericht Meißen geführte Kindesunterhaltsverfahren schlicht viel zu lange gedauert hatte. Wie das Verfahren beim Amtsgericht endete, war dabei völlig unerheblich.

Außerdem hat sich in der Praxis erfreulicherweise nun auch durchgesetzt, dass in Ausnahmefällen, insbesondere bei schwerwiegender Beeinträchtigung von Grundrechten, der Entschädigungsbetrag wesentlich höher angesetzt werden kann, so nun auch entschieden durch den BGH.

Da die Rechtsprechung immer dem wahren Leben hinterherhinkt und nicht „vom Himmel fällt“, sondern im Einzelfall konkret erstritten werden muss, ist Betroffenen Mut zu machen, von diesen neuen Möglichkeiten „im Fall der Fälle“ tatsächlich Gebrauch zu machen. Sich nur zu ärgern, führt zu nichts. Es gilt schlicht, die objektiv vorhandenen Möglichkeiten zu kennen und von diesen gegebenenfalls tatsächlich Gebrauch zu machen, selbst wenn dies nochmals zusätzliches Papier zu beschreiben bedeutet.   Weniger anzeigen

24.09.2020  Was ist bei bewilligter Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe zu beachten?

Der Zugang zum Recht soll nach dem Willen des Gesetzgebers aus guten Gründen auch für Bürger mit schmalem Geldbeutel gesichert sein.

Daher hat das Gericht über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (in Familiensachen Verfahrenskostenhilfe genannt) rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin zu entscheiden, damit der vertretende Anwalt weiß, ob seine Vergütung von der Staatskasse gedeckt ist oder nicht. Bewilligt wird diese nur, ...  Weiter lesen
Der Zugang zum Recht soll nach dem Willen des Gesetzgebers aus guten Gründen auch für Bürger mit schmalem Geldbeutel gesichert sein.

Daher hat das Gericht über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (in Familiensachen Verfahrenskostenhilfe genannt) rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin zu entscheiden, damit der vertretende Anwalt weiß, ob seine Vergütung von der Staatskasse gedeckt ist oder nicht. Bewilligt wird diese nur, wenn der Rechtssuchende nach seiner vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse „arm“ im Sinne der Vorschriften ist und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg verspricht. Abhängig von der jeweiligen Situation wird die Hilfe bei Vorliegen dieser Voraussetzungen mit oder ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt. Die Prüfung ist - wie bei allen staatlichen Fürsorgeleistungen - mit viel Papier und Belegen verbunden.

Ob der Mandant später die Kosten der Gegenseite zu erstatten hat, hängt vom Ausgang des Verfahrens und der Kostenentscheidung ab.

Zu beachten ist, dass der Betroffene, dem solche Hilfe bewilligt wurde, im Nachhinein mit einer Überprüfung seiner Einkommensverhältnisse durch die Staatskasse rechnen muss. Solche Überprüfungen sind immerhin bis zu 4 Jahren nach Abschluss des Verfahrens möglich. Um Überraschungen zu vermeiden, ist es wichtig, die dann geforderten Angaben nochmals korrekt und fristgemäß zu erteilen. Oft haben sich die Verhältnisse nicht gebessert. Dann bleibt es schlicht bei der alten Bewilligung. Sollten sich die Einkommensverhältnisse allerdings wesentlich gebessert haben (z. B. durch Erbschaft oder nach Jobwechsel), kann die Staatskasse Rückforderungen erheben oder eine höhere Ratenzahlungsverpflichtung auferlegen. Die Höhe der Rate hängt davon ab, zu welchen Zahlungen der Betroffene unter Berücksichtigung seines Selbstbehaltes dann in der Lage ist.

Umgekehrt gilt Gleiches. Wer im Ausgangsverfahren noch ein recht gutes Einkommen hatte und deshalb monatliche Raten zu zahlen hat, kann bei wesentlicher Verschlechterung seiner finanziellen Situation (z. B. jetzt in Corona-Zeiten) selbst aktiv werden und einen Antrag auf Reduzierung oder Wegfall der Ratenzahlung stellen.

Neu ist, dass für den Betroffenen klare Informationspflichten bestehen. Dazu gehört, dass wesentliche Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unaufgefordert dem Gericht mitzuteilen sind, also z. B. wenn sich die Wohnanschrift ändert oder sich im Nachhinein die monatlichen Nettoeinkünfte wesentlich erhöhen (um mehr als 10 % im Vergleich zum Bewilligungszeitraum). Wenn gegen diese Hinweispflichten verstoßen wird, besteht das Risiko, dass die Staatskasse die Prozess-/Verfahrenskostenhilfe aufhebt und die gesamte gewährte Prozesskostenhilfe auf einen Schlag zurückfordert. Die Vorschriften sind also strenger geworden.

Generell sollte man prüfen, ob es überhaupt sinnvoll erscheint, Antrag auf Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zu stellen, denn wenn die Kosten des Verfahrens überschaubar erscheinen, ist es oft machbar, mit dem Anwalt direkt eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen. Diese kann individuell angepasst werden, ohne den oft m/uuml;hsamen Umweg über das Gericht. Auf diese Weise werden auch die Mitarbeiter in der Kanzlei erheblich entlastet und der Anwalt kann sich auf seine eigentliche Tätigkeit, nämlich die rechtliche Vertretung der Interessen seines Mandanten konzentrieren.

Die praktische Erfahrung zeigt, dass staatliche Hilfe nur dann in Anspruch genommen werden sollte, wenn man diese tatsächlich benötigt, denn bei staatlichen Fürsorgeleistungen ist der bürokratische Aufwand und das Rückforderungsrisiko nicht zu unterschätzen.   Weniger anzeigen

12.04.2018  Wechselmodell für Trennungskinder künftig als Regelfall denkbar?

Paukenschlag Mitte März 2018 im Bundestag – eine Fraktion bringt den Antrag ein, das familienrechtliche Wechselmodell als Regelfall einzuführen und auch im Unterhaltsrecht eine anteilige Beteiligung der Eltern sowohl in Sachen Bar- als auch in Naturalunterhalt vorzusehen. Das Wechselmodell bedeutet, ...  Weiter lesen
Paukenschlag Mitte März 2018 im Bundestag – eine Fraktion bringt den Antrag ein, das familienrechtliche Wechselmodell als Regelfall einzuführen und auch im Unterhaltsrecht eine anteilige Beteiligung der Eltern sowohl in Sachen Bar- als auch in Naturalunterhalt vorzusehen. Das Wechselmodell bedeutet, dass das Kind von beiden Eltern in gleichem Umfang betreut wird (z. B. im wöchentlichen Wechsel).

Mut zu diesem Vorstoß hat offensichtlich der Beschluss des BGH vom 01.02.2007 gemacht. Bisher ging die überwiegende Rechtsprechung davon aus, dass gegen den Willen des anderen Elternteils das Wechselmodell vom Gericht nicht angeordnet werden kann. Nun stellte der BGH in seinem Beschluss klar, dass es in Einzelfällen zulässig ist, das paritätische Wechselmodel als Umgangsregelung gerichtlich anzuordnen, allerdings nur, wenn es dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Bei genauer Lektüre der Entscheidung fällt auf, dass der BGH keineswegs einen ersten Schritt zu einer Etablierung des Wechselmodells unternommen hat. Es stellt sich also die Frage: Unter welchen Umständen kann das Wechselmodell dann tatsächlich die beste Lösung sein? Das Gericht stellte klar, dass hier der jeweilige Einzelfall konkret zu beurteilen ist, die Erziehungseignung der Eltern, die Bindung des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie der Kindeswille zu prüfen sind. Voraussetzung ist also zwingend, dass bei beiden Eltern die notwendige Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit vorliegt. Sind die Eltern dagegen nicht in der Lage, sich sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Weg zu gemeinsamen Entscheidungen zu gelangen, würde das Wechselmodell dem Kind eher schaden als nutzen. Dort, wo es also schon erheblich an dieser Kommunikationsfähigkeit mangelt, wird man aus guten Gründen das Wechselmodell gerade nicht anordnen. Das Wechselmodell lässt sich letztlich auch nur dann leben, wenn beide Eltern in sehr enger räumlicher Nähe zueinander wohnen, die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen gewährleistet ist, die Eltern neben ihrer Erwerbstätigkeit in der Lage sind, das Wechselmodell überhaupt zu organisieren und in Erziehungsfragen trotz Trennung noch bdquo;an einem Strang“ ziehen.

Aus Sicht mancher Eltern erscheint das Wechselmodell auf den 1. Bick eine gute Lösung, da es ihnen gerecht erscheint. Ob es allerdings für das jeweilige Kind tatsächlich die beste Lösung ist, ist zweifelhaft. Wer als Erwachsener über längere Zeit hinweg z. B. auf Montage tätig ist und zwischen Arbeitsplatz und Familie pendelt, kann vielleicht am besten nachvollziehen, welche Belastungen das Wechselmodell für ein „Pendelkind“ darstellen kann. Kinder mögen viel aushalten können. Aber es ist nicht gesagt, ob ihnen das von den Eltern gewünschte Wechselmodel tatsächlich gut tut. Hier muss sensibel hingeschaut werden, jedenfalls wenn man das Kinderwohl ernst nimmt. Dieses bleibt auch weiter entscheidend. Viele Juristen gehen deshalb davon aus, dass die Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils auch künftig nur ausnahmsweise erfolgen wird, weil eben in den meisten Fällen die Voraussetzungen dafür gerade nicht vorliegen. Zwar mag es sein, dass auch in anderen Ländern nach Trennung und Scheidung vermehrt beide Elternteile die tatsächliche Betreuung übernehmen, so z. B. in Frankreich, Italien oder in den skandinavischen Ländern. Dort sind allerdings auch die sonstigen Lebensverhältnisse durchaus anders als in Deutschland und oft besser geeignet Privat- und Arbeitsleben in Einklang zu bringen. Ob sich hier ein Wandel auf dem deutschen Arbeitsmarkt durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Nach deutschem Rechtsverständnis liegt ein klassisches Wechselmodell nur dann vor, wenn die Eltern das Kind tatsächlich zeitlich paritätisch (jeder 50 %) betreuen, also der eine das Kind nicht länger betreut als der andere. In anderen Ländern ist der Blickwinkel, wann ein Wechselmodell angenommen wird, nicht so starr. In Schweden wird beispielsweise auch bei einem Betreuungsverhältnis von 40 % zu 60 % von einer wechselnden Residenz des Kindes gesprochen.

Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, dass bei Praktizierung des Wechselmodells kein Kindesunterhalt geschuldet ist. Dies ist in dieser Pauschalität nach jetziger Rechtslage so nicht zutreffend. Maßstab bleiben die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern und der Bedarf des Kindes. Danach richtet sich, wer und wenn ja, wieviel doch noch als Barunterhalt zu zahlen hat. Der jetzige Vorstoß von Seiten der Politik, die aktuellen Regelungen zu überprüfen, macht allerdings deutlich, dass sich die Lebenswirklichkeit geändert hat und hierauf Antworten zu finden sind.   Weniger anzeigen

12.10.2017  Pflichtteilsrecht gilt noch immer - wie lange noch?

Unser Erbrecht stammt von den Vätern des Bürgerlichen Gesetzbuches, welches am 01.01.1900 in Kraft trat. Unsere Lebensverhältnisse haben sich seit dieser Zeit stark verändert. Es galt und gilt zwar grundsätzlich die Freiheit des Erblassers selbst zu bestimmen, wer von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden soll. Allerdings soll der Enterbte ...  Weiter lesen
Unser Erbrecht stammt von den Vätern des Bürgerlichen Gesetzbuches, welches am 01.01.1900 in Kraft trat. Unsere Lebensverhältnisse haben sich seit dieser Zeit stark verändert. Es galt und gilt zwar grundsätzlich die Freiheit des Erblassers selbst zu bestimmen, wer von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden soll. Allerdings soll der Enterbte gemäß § 2303 BGB dennoch einen Pflichtteil fordern können. Der Pflichtteil sichert den nächsten Angehörigen eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Dieser Anspruch besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Pflichtteilsberechtigt können der Ehegatte, die Kinder oder auch die Eltern sein. Der Sinn dieser Regelung war damals einleuchtend. Die Lebenserwartung der Menschen lag zu dieser Zeit bei ca. 50 Jahren. Die Kinder waren meist noch ganz jung und abhängig von der Vermögenssituation der Eltern. Vermögen wurde von Familie zu Familie erarbeitet und weitergegeben. Es ging im Wesentlichen darum, einerseits das Familienvermögen zu schützen aber auch den Pflichtteilsberechtigten nicht völlig leer ausgehen zu lassen.

Seitdem sind mehr als 100 Jahre vergangen. Der Wille zu größerer Testierfreiheit wurde stärker. In der Regel sind die Erblasser heute wesentlich älter. Die Kinder wiederum sind dann selbst oft schon im mittleren Alter und etabliert. Unser Alltag ist außerdem wesentlich stärker als damals von Eigenverantwortung geprägt. Meist hat der Erblasser das, was er überhaupt vererben könnte, selbst erarbeitet.

Wenn sich z.B. ein Kind jahrelang nicht um den Erblasser gekümmert hat und man sich entfremdete, ist nicht selten der Wunsch da, diesen eigentlich Erbberechtigten komplett zu enterben, also auf null zu setzen. Manchmal fällt dann der Satz: „Der soll gar nichts bekommen, keinen Cent!“ Beispiel dazu: Der Erblasser ist ein Witwer. Dieser hat zwei Söhne. Anders als der jüngste Sohn hat der große Sohn keine wirkliche Bindung zum Vater und ließ jegliche emotionale und sonstige Zuwendung vermissen. Der Vater möchte vermeiden, dass diesem etwas zufließt, zumal der Sohn zu diesem Vermögen nie etwas beigetragen hat. Aus Ärger über diese Umstände verfasst der Vater immerhin ein Testament und regelt dort, dass sein jüngster Sohn Alleinerbe werden soll, sein großer Sohn nicht erben soll. Das bedeutet aber, dass der ältere Sohn dennoch Pflichtteilsansprüche gegen seinen Bruder erheben kann. Der Familienzwist setzt sich unter den Brüdern fort.

Seit Jahren kommen solche Fälle immer wieder vor und erscheinen für die Betroffenen unbefriedigend. Der Gesetzgeber möchte dennoch nicht am Pflichtteilsrecht rütteln. Nur in absoluten Ausnahmefällen, z. B. wenn der Betroffene dem Erblasser nach dem Leben getrachtet hat oder in sonstigen Fällen des Paragraphen 2333 BGB kann das Pflichtteilsrecht entzogen werden, also auf null gesetzt werden. In der Praxis funktioniert das äußerst selten. Die bloße Entfremdung oder sonstiger Unmut reichen nicht. Vermutlich hat das Festhalten des Gesetzgebers am Pflichtteilsrecht auch fiskalische Gründe, nämlich um die Sozialsysteme zu entlasten, damit ansonsten bedürftige Angehörige vom Nachlass profitieren können.

Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch. Hat der Nachlass des Witwers unter Berücksichtigung seines Hauses einen Wert von beispielsweise 80.000 Euro, muss der als Alleinerbe eingesetzte jüngere Sohn an seinen Bruder die Hälfte von 40.000 Euro, also 20.000 Euro, zahlen, wenn dieser seinen Pflichtteil verlangt. Existenziell können solche Pflichtteilsansprüche natürlich dann werden, wenn es um werthaltige Unternehmen oder um andere hohe Nachlasswerte geht.

Dazu kommt, dass auch Schenkungen des Erblassers in den 10 Jahre vor seinem Tod zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen können. Wer vermeiden möchte, dass seine Erben später langwierige Auseinandersetzungen auszutragen haben, sollte versuchen, entweder doch noch die Kommunikation zu beleben oder ggf. unter Einschaltung eines geduldigen Vermittlers und bei Zahlung eines angemessenen Abgeltungsbetrages einen Pflichtteilsverzicht notariell zu beurkunden. Wo ein solcher Weg nicht sinnvoll erscheint, sind manchmal auch Regelungen über Vermächtnisse oder über Vor- und Nacherbschaften praktikabel. Außerdem gilt noch immer die goldene Regel, das selbst Erarbeitete doch am besten für eigene Bedürfnisse und möglichst noch in gesunden Zeiten selbst auszugeben und mit warmen Händen Gutes zu tun. Die Freude, die dann manchmal zurückfließt, ist umso schöner.

Wie lange das Pflichtteilsrecht in der jetzigen Form noch Bestand haben wird, kann niemand mit Gewissheit einschätzen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls deutlich gemacht, dass es zumindest das Pflichtteilsrecht von Kindern für verfassungsgemäß hält.   Weniger anzeigen

31.08.2017  Abänderung von Unterhaltstiteln

Häufiges Szenario: Die Eltern eines Kindes trennen sich. Das Kind lebt danach weiter bei der Mutter, der Vater wird von der Kindesmutter oder vom Jugendamt aufgefordert, laufenden Kindesunterhalt zu zahlen und solchen Unterhalt durch Urkunde des Jugendamtes zu beurkunden. Dann wird ...  Weiter lesen
Häufiges Szenario: Die Eltern eines Kindes trennen sich. Das Kind lebt danach weiter bei der Mutter, der Vater wird von der Kindesmutter oder vom Jugendamt aufgefordert, laufenden Kindesunterhalt zu zahlen und solchen Unterhalt durch Urkunde des Jugendamtes zu beurkunden. Dann wird der Unterhalt auf der Basis der Einkünfte berechnet und der Vater aufgefordert, Urkunde zur Anerkenntnis der Unterhaltsverpflichtung in konkreter Höhe zu unterzeichnen. So oder auf gerichtlichem Wege werden Unterhaltstitel geschaffen. So lange diese existieren, ist der Betrag geschuldet, der sich aus dem Titel ergibt.

Später ändern sich oft die Verhältnisse, z. B. dadurch, dass der Unterhaltspflichtige Vater eines zweiten Kindes aus einer weiteren Beziehung wird. In diesem Fall muss der Vater selbst aktiv werden und gegebenenfalls Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels bezüglich des ersten Kindes nach unten betreiben, da die Verteilungsmasse dann auf zwei Kinder aufzuteilen ist.

Häufig reicht das Einkommen, welches über den Selbstbehalt hinausgeht (aktuell 1.080 € bei Erwerbstätigkeit) nicht, um den Mindestunterhalt für beide Kinder sicherzustellen. Dann sollte die Mutter aufgefordert werden, bis zum Ablauf einer konkret gesetzten Frist Zustimmung zur Abänderung des Titels zu erteilen.

Besteht der Unterhaltstitel z. B. über 250 € und möchte der Vater diesen auf 150 € herabgesetzt wissen, bekommt aber keine schriftliche Zustimmung der Kindesmutter zur Abänderung des Unterhaltstitels, laufen wegen des Fortbestehens des alten Unterhaltstitels Unterhaltsrückstände in Höhe von monatlich 100 € auf, wenn er künftig nur 150 € zahlt.

Die Überraschung ist dann groß, wenn plötzlich nach mehreren Monaten oder Jahren eine Lohn- oder Kontopfändung wegen der aufgelaufenen Rückstände erfolgt. Der Vater ist sich keiner Schuld bewusst, da er auf die mündliche Zusage der Kindesmutter vertraute, dass er „zunächst“ seine Zahlung reduzieren könne. Solche Zusage bedeutet aber keine wirksame Abänderung des Titels.

Wenn also trotz Aufforderung keine schriftliche Zustimmung zur Abänderung des Unterhaltstitels auf den neuen Unterhaltsbetrag erteilt wird, sollte der Unterhaltspflichtige sich nicht scheuen, notfalls gerichtlichen Antrag auf Abänderung des Unterhaltstitels nach unten einzureichen, auch wenn er schlicht das notwendige Geld dafür nicht hat. Für solche Zwecke hilft die Verfahrenskostenhilfe weiter. Wenn der Rechtsuchende nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt um das Verfahren zu betreiben und die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat, ist ihm auf Antrag Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Hierzu muss der Betroffene eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausfüllen und die entsprechenden Belege beifügen. Das Gericht prüft dann, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vorliegen. Wenn dies der Fall ist, erhält der Anwalt die Vergütung aus der Staatskasse. Wer am Ende die Kosten des Verfahrens zu zahlen hat, hängt von der Kostenentscheidung des Gerichts ab. Im Fall eines Vergleiches trägt jeder seine Kosten selbst.

Wichtig ist einfach, dass der Unterhaltspflichtige im Falle einer außergerichtlichen Ablehnung den gerichtlichen Weg konsequent geht, da sonst der alte Titel im Zweifel fortbesteht.

Im Verfahren selbst muss dann der Nachweis geführt werden, dass sich die zugrundeliegenden Verhältnisse in der Zwischenzeit wesentlich geändert haben. Es erfolgt also in diesem Fall eine Gegenüberstellung der Verhältnisse, wie sie bei Schaffung des Titels zugrunde lagen, mit den neuen Verhältnissen. Bei korrektem und ausreichenden Vortrag ändert das Gericht den Titel dann ab.

Erst wenn der Unterhaltstitel wirksam nach unten abgeändert wurde, kann der Unterhaltspflichtige „ruhig schlafen“, da er nur dann die Gewissheit hat, dass dann keine Unterhaltsrückstände auflaufen.

Immer derjenige muss aktiv werden, der ein Interesse an der Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels (nach unten oder nach oben) hat. Wenn es fair zugeht, wird der andere dieses Ansinnen selbst prüfen lassen und sich dem Abänderungsverlangen des anderen nicht verschließen, so dass die Sache natürlich außergerichtlich durch schriftliche Abänderungserklärung geregelt werden kann. Dann erübrigt sich natürlich der gerichtliche Weg.

Weiter gilt: Niemand sollte leichtfertig einen Unterhaltstitel unterzeichnen, wenn er schon bei Schaffung des Unterhaltstitels der Meinung ist, dass der Unterhaltstitel zu hoch ist, er Zahlungen in dieser Höhe unter Berücksichtigung seines beruflichen Werdegangs und der konkreten Lage auf dem Arbeitsmarkt gar nicht leisten kann. Im Zweifel sind die Kosten einer streitigen Auseinandersetzung vor Schaffung eines Titels meist geringer als die Nachteile, die entstehen, wenn von Anfang an zu hoher Unterhaltstitel geschaffen wurde.   Weniger anzeigen

08.06.2017  Kindesunterhalt und Wechselmodell

Trennen sich Eltern verbleiben die Kinder in der Regel im Haushalt eines Elternteils (oft dem der Mutter) und der andere Elternteil nimmt an der weiteren Entwicklung der Kinder im Wege regelmäßigen Umgangs teil (sogenanntes Residenzmodell). In solchen Fällen geht der Gesetzgeber davon aus, dass ...  Weiter lesen
Trennen sich Eltern verbleiben die Kinder in der Regel im Haushalt eines Elternteils (oft dem der Mutter) und der andere Elternteil nimmt an der weiteren Entwicklung der Kinder im Wege regelmäßigen Umgangs teil (sogenanntes Residenzmodell). In solchen Fällen geht der Gesetzgeber davon aus, dass der betreuende Elternteil (oft die Mutter) Unterhalt leistet durch Betreuung und Versorgung der Kinder, der andere Elternteil dagegen Barunterhalt zahlt. Kinder leiten ihre Lebensstellung von der Lebensstellung der Eltern ab, so dass ein Vater mit gutem Einkommen natürlich höheren Unterhalt zu zahlen hat, als ein Vater mit geringerem Einkommen.

Welcher Unterhalt ist aber geschuldet, wenn sich die Eltern auf ein völlig anderes Betreuungsmodell verständigen, z. B. auf das so genannte Wechselmodell? Beim paritätischen Wechselmodell werden die Kinder abwechselnd von den Eltern betreut, z. B. eine Woche von der Mutter, dann eine Woche vom Vater und so weiter. Hier hat also kein Elternteil den überwiegenden Betreuungsanteil. Bei diesem Modell haben beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen. Der Unterhaltsbedarf des Kindes liegt regelmäßig deutlich höher als beim herkömmlichen Residenzmodell. Er bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden – erhöhten – Bedarf insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells (vor allem Wohn- und Fahrtkosten). Das Oberlandesgericht Dresden hat im Beschluss vom 29.10.2015 für solchen Fall konkret vorgerechnet, wie der Unterhalt in solchen Fällen aus Sicht des OLG zu berechnen sei. Dort verfügte der Vater über ein bereinigtes Nettoeinkommen von ca. 3.000 €, die Mutter über ein durchschnittliches Einkommen von ca. 1.200 €. Die Kinder müssen jeweils zum Kindergarten/zur Schule gebracht werden, wofür 300 € Fahrtkosten anfallen. Außerdem müssen Kita-Kosten, Beträge für die Musikschule und Essengeld bezahlt werden. Das Gericht ermittelte für die beiden Kinder einen Gesamtbedarf von ca. 670 €. Nun stellte sich die Frage, wie sich beide Eltern an der Befriedigung des Bedarfes beteiligen müssen.

Der Laie geht hier an dieser Stelle oft davon aus, dass sich beide Eltern in diesen Bedarf schlicht teilen müssten. Dies wäre aber ungerecht, da der Vater ja höheres Nettoeinkommen hat als die Mutter, so dass der Bedarf tatsächlich nach der Leistungsfähigkeit beider Eltern aufgeteilt wird. Dies ergab einen Anteil des Vaters in Höhe von mehr als 600 € und einen Anteil der Mutter am Gesamtbedarf in Höhe von ca. 62 €. In einem weiteren Schritt wurde dann angerechnet, wer welche Leistungen erbracht hat, wer also die Hortkosten zahlte usw. Später wurde dann noch das hälftige Kindergeld angerechnet, so dass dann genau rechnerisch ermittelt wurde, wer welchen Anteil zu zahlen hat. Dem Leser fällt sicher auf, dass es äußerst schwierig ist, die konkrete Unterhaltslast eines Elternteils beim klassischen Wechselmodell korrekt zu ermitteln. Es ist aber gera1de nicht so, dass ein Elternteil – wenn er das klassische Wechselmodell praktiziert – dann von vornherein behaupten kann, dass er wegen der wechselnden Betreuung keinen Unterhalt mehr schulde. Diese Annahme ist leider immer noch weit verbreitet.

Gerade weil diese Annahme weit verbreitet ist, versucht mancher Elternteil jetzt im Streitfall das Gericht zu bewegen, dass das Wechselmodell doch bitte gerichtlich angeordnet werden möge. Dies wiederum ist nicht so selbstverständlich, wie mancher meint. Denn die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells kommt selbst nach aktueller BGH-Rechtsprechung nur in Betracht, wenn dies dem Kindeswohl am ehesten entspricht.

Dies wiederum ist – ehrlich analysiert – nur selten der Fall, da es nur wenigen Eltern im Trennungsfall gelingt, mit Kooperation und Kommunikation Konflikte selbst zu bereinigen. Daher ist das Wechselmodell im Alltag doch eher eine Ausnahmeerscheinung, auch wenn es zunehmend diskutiert wird.   Weniger anzeigen

13.04.2017  Elterliche Verantwortung in Zeiten von WhatsApp & Co.

Wir leben in immer schnelllebigeren Zeiten. Erwachsene und auch Jugendliche nutzen im Alltag oft das Smartphone und wir realisieren dabei nicht bewusst, wie wir dabei aufgrund verschiedener Vernetzungen in unserem Nutzungsverhalten „fremdgesteuert“ werden. Insbesondere für Jugendliche ist das ...  Weiter lesen
Wir leben in immer schnelllebigeren Zeiten. Erwachsene und auch Jugendliche nutzen im Alltag oft das Smartphone und wir realisieren dabei nicht bewusst, wie wir dabei aufgrund verschiedener Vernetzungen in unserem Nutzungsverhalten „fremdgesteuert“ werden. Insbesondere für Jugendliche ist das Smartphone ein wichtiges Kommunikationsgerät. Damit können Gefahren verbunden sein, die nicht ohne weiteres ausgeblendet werden sollten.

Mittlerweile befassen sich auch die Gerichte mit solchen Lebenssachverhalten. Das Amtsgericht Hersfeld hat in seinem Urteil vom 22.07.2016 einen Vater dazu verurteilt, WhatsApp und ähnliche Programme von den Smartphones seiner minderjährigen Töchter zu entfernen. Die Eltern der beiden 15- und 11- jährigen Mädchen hatten sich im Jahr 2006 getrennt und sind geschieden. Nach der Trennung wohnten die Kinder zunächst bei der Mutter, zogen dann aber später zum Vater. Beide besaßen Smartphones, auf denen auch jeweils die Messenger-App „WhatsApp“ installiert war. Die Ältere der beiden Töchter erstattete im Mai 2016 eine Anzeige wegen des Verdachtes der sexuellen Belästigung gegen einen ehemaligen Schulfreund des Vaters. Die Mutter beantragte dann, die elterliche Sorge für beide Kinder auf sie zu übertragen. In diesem Zusammenhang hatte sich das Gericht mit der Sache zu befassen. Die Mutter zog später ihren Antrag zurück.

Das Gericht stellte allerdings fest, dass die über Monate andauernde Kommunikation über WhatsApp die Kinder stark ergriffen und ihr Wohlbefinden negativ beeinträchtigt hatte. Wenn ein Gericht Anhaltspunkte dafür hat, dass das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, hat das Familiengericht gemäß § 1666 BGB Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

Hier entschied das Gericht, dass für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren WhatsApp „grundsätzlich eine Gefahr für ihre Privatsphäre und ihre Entwicklung darstellt“. Dies gelte zumindest dann, wenn die Kinder vor der Nutzung nicht einen „ausgeprägten verantwortungsvollen Umgang mit den Funktionen und den Risiken aufgezeigt bekommen haben und wenn sie nicht bereits eine besondere geistige Reife und vorausschauende Sicht im Hinblick auf die Nutzung aufweisen“.

So lag der Fall hier. Die Richter erklärten, dass Smartphones keine digitalen Spielzeuge seien und das Eltern laufend sicherzustellen haben, dass die Kinder sich mit den möglichen Risiken und Gefahren an dem Gerät auskennen und darauf jeweils adäquat reagieren können. Im konkreten Falle erteilte das Gericht dem Vater Auflagen, so z. B. mit den Kindern einmal pro Monat Gespräche über die tatsächliche Nutzung ihrer mobilen Smartgeräte und über aufkommende Fragen und Probleme zu führen. Weiter wurde der Vater verpflichtet, mindestens aller 3 Monate die Geräte bezüglich installierter Apps zu untersuchen.

Im entschiedenen Fall war es so, dass die Eltern schlicht überfordert und hilflos agiert hatten und „sie selbst Unkenntnis zu den technischen Abläufen“ auszeichnete. Die Richter verwiesen darauf, dass bei WhatsApp regelmäßig Adressbuch und Nutzungsdaten ausgelesen werden und mit den Daten anderer Nutzer verknüpft werden (Stichwort „Zwangsvernetzungstechnik“). Deshalb sollten Eltern laut Urteilsbegründung sichere Alternativen verwenden. Weiter empfiehlt das Gericht in seinem Urteil auch den Einsatz von Kindersicherungen usw.

Die Gerichtsentscheidung ist zu begrüßen und gibt einen guten Überblick über die Schutzmöglichkeiten. Selbst WhatsApp regelt in seinen AGB, dass die Applikation nicht für Personen unter 16 Jahren genutzt werden darf, ohne dies allerdings zu kontrollieren. Es ist insofern tatsächlich Sache der Eltern zu überwachen, ob sie selbst und insbesondere ihre Kinder in der Lage sind, die technischen Abläufe zu verstehen und zu beherrschen. Nur so kann ein verantwortungsvoller Umgang mit den Geräten sichergestellt werden. Es wäre bedauerlich, wenn Gerichte bei überforderten Eltern immer öfter gerichtliche Maßnahmen zur Abwendung der Gefährdung des Kindeswohls ergreifen müssten. Meist ist es dann schon arg spät und Verunsicherungen oder gar Schäden sind bei den Kindern dann ggf. schon eingetreten.

Schauen wir also genauer hin. WhatsApp o. ä. sollen keinesfalls verteufelt werden. Wir sollten also darauf achten, was und in welchem Umfang unsere Kinder oder Enkelkinder nutzen und halten uns dabei auch selbst auf dem Laufenden zu den verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten unserer Zeit.   Weniger anzeigen

16.02.2017  Gemeinschaftliches Testament und dennoch beeinträchtigende Schenkungen des Längstlebenden

Die Lebenssachverhalte sind doch immer wieder höchst unterschiedlich und bedürfen genauer Prüfung, wenn im Erbfall etwa beeinträchtigende Schenkungen diskutiert werden. Schauen wir uns dies an folgendem Beispiel an.

In einem gemeinsamen Testament hatten sich Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Nach dem Tod des Längstlebenden sollten die drei gemeinsamen Kinder ...  Weiter lesen
Die Lebenssachverhalte sind doch immer wieder höchst unterschiedlich und bedürfen genauer Prüfung, wenn im Erbfall etwa beeinträchtigende Schenkungen diskutiert werden. Schauen wir uns dies an folgendem Beispiel an.

In einem gemeinsamen Testament hatten sich Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Nach dem Tod des Längstlebenden sollten die drei gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen erben. Der Ehemann verstarb zuerst. Die Ehefrau wurde also zunächst Alleinerbin und übertrug das Hausgrundstück auf die Kinder eines ihrer Söhne. Damit wurde der Nachlass natürlich erheblich geschmälert, weil das Grundstück im Erbfall nach der Ehefrau nicht mehr in ihren Nachlass floss. Der Nachlass fiel um ca. 100.000,00 € niedriger aus, als wenn das Grundstück noch im Nachlass vorhanden gewesen wäre.

Im Erbfall nach der Mutter konnte zwar das vorhandene Sparvermögen unter den drei Erben verteilt werden. Eines der Kinder machte dann aber gemäß § 2287 BGB geltend, dass hier eine beeinträchtigende Schenkung vorlag. § 2287 BGB regelt konkret: „Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeintr6auml;chtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.“

Das Gericht verurteilte hier die beiden Beklagten, dem Kläger einen Miteigentumsanteil von 1/3 an dem geschenkten Hausgrundstück zu übertragen. Ohne diese beeinträchtigende Schenkung an die Enkelkinder wäre der Kläger ja auch zu 1/3 Miteigentümer des Hausgrundstücks geworden.

Zu beachten ist, dass der Anspruch nur dann besteht, wenn der Erblasser in Benachteiligungsabsicht gehandelt und die Zuwendung nicht aus lebzeitigem Eigeninteresse heraus vorgenommen hat. Eine solche Benachteiligungsabsicht wird von der Rechtsprechung schon dann angenommen, wenn die Zuwendung ohne oder nur mit geringer Gegenleistung erfolgt ist. Naürlich gibt es eine Fülle von Gründen, in denen der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse tatsächlich hat, z. B. wenn der Erblasser nach der Schenkung seine Pflege oder Versorgung sichern möchte oder eine Unterstützung bedürftiger naher Verwandter beabsichtig ist usw.

Ob im Streitfall vom Richter, der den Fall zu bearbeiten hat, ein solches lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers gesehen wird oder nicht, kommt natürlich stark auf den Einzelfall an und kann nicht mit 100 %iger Sicherheit vorab prognostiziert werden. Der Sinn der Regelung leuchtet jedoch ein. Es soll gerade vermieden werden, dass der Längstlebende unter Umgehung des gemeinsamen Testamentes im Nachhinein einseitig Verfügungen trifft, die einen der Vertragserben beeinträchtigen würde. Diese Grundsätze gelten natürlich nicht nur für Grundstücke, sondern auch für andere Verfügungen, z. B. für Geld, Schmuck, Wertpapiere usw. Allerdings werden natürlich auch oft von vermeintlich Betroffenen solche illoyalen Vermögensverschiebungen unterstellt oder vermutet, die es tatsächlich dann aber nicht gab, sondern der Überlebende lediglich Ausgaben im Rahmen seiner üblichen Lebenshaltungskosten tätigte. Dieser ist auch nicht verpflichtet, wenn es keine konkreten Anhaltspunkte solcher illoyalen Vermögensverschiebungen gab, etwa lückenlos und über Jahre hinweg diverse Kontoauszüge vorzulegen, jedenfalls nicht, wenn die Erbenstellung der anderen Beteiligten letztlich nicht angegriffen wurde.   Weniger anzeigen

13.10.2016  Die Welt verändert sich – die Rechtsprechung auch

Aktuell neigen sich die Herbstferien dem Ende zu. In solchen Zeiten ist oft eine Fülle von streitigen Anträgen zu bearbeiten, jedenfalls wenn es Rechtsstreitigkeiten getrennt lebender Eltern gibt. Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge müssen versuchen ...  Weiter lesen
Aktuell neigen sich die Herbstferien dem Ende zu. In solchen Zeiten ist oft eine Fülle von streitigen Anträgen zu bearbeiten, jedenfalls wenn es Rechtsstreitigkeiten getrennt lebender Eltern gibt. Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge müssen versuchen sich bei Meinungsverschiedenheiten zu einigen. § 1687 BGB regelt, dass bei Eltern, denen die gemeinsame elterliche Sorge zusteht und die nicht nur vorübergehend getrennt leben, unbedingt bei Entscheidungen und Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich ist. Dies bedeutet, dass der Elternteil, der das Kind betreut, in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens allein entscheiden kann, also Fragen der Alltagssorge, der tatsächlichen Betreuung, der Ernährung, der Bettruhe, des Fernsehkonsums usw. in eigener Regie entscheiden kann. Bei Fragen von erheblicher Bedeutung ist jedoch der andere Elternteil mit einzubeziehen.

Diese Weichenstellung des Gesetzes erscheint ausgewogen, da der nicht betreuende Elternteil nur in wichtigen Dingen mitbestimmen soll, also z.B. wenn eine Auswanderung oder ein Umzug des Kindes beabsichtigt ist, ein Schulwechsel beabsichtigt ist, bei Fragen der Berufswahl, bei anstehenden Operationen usw. Insofern kann in der Regel der Elternteil, in dessen Haushalt das oder die Kinder leben, über die Dinge des Alltags allein entscheiden. Wenn es um Fragen „erheblicher Bedeutung“ geht, ist der andere Elternteil aber zwingend mit einzubeziehen. Wo die Grenze liegt, ist im Einzelfall zu entscheiden.

Erst kürzlich hatte sich das Oberlandesgericht Frankfurt mit folgender Frage zu befassen: Die Eltern des betroffenen Kindes waren geschieden und hatten noch das gemeinsame Sorgerecht. Das Kind lebte bei der Mutter. Die Mutter beabsichtigte in den Sommerferien mit dem achtjährigen Sohn eine Urlaubsreise in die Türkei zu unternehmen, einen klassischen Badeurlaub nach Antalya. Der Vater hatte seine Zustimmung nicht erteilt und dies damit begründet, dass er eine Türkeireise vor dem Hintergrund der politischen Lage und einer eventuellen Terrorgefahr zu gefährlich für das Kind halte. Die Mutter hatte dann beim Amtsgericht ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag eingeleitet, die Zustimmung des Vaters zur Reise zu ersetzen. Der Vater hatte dahingehend argumentiert, dass die Mutter die Reise wegen der zwischenzeitlichen Anschläge in Istanbul längst hätte stornieren können und müssen. Er argumentierte dahingehend, dass die Gefahren derzeit nicht abschätzbar seien.

Das Amtsgericht hatte dann entschieden, dass die Mutter über die Frage der Durchführung der Türkeireise allein entscheiden könne. Hintergrund der Entscheidung war der Umstand, dass die Anhörung des Kindes ergeben hatte, dass sich das Kind auf den Urlaub freue, da es noch nie einen richtigen Badeurlaub gemacht habe, das Kind auch keine Angst habe usw. Gegen diese Entscheidung hatte der Vater erfolgreich Beschwerde eingelegt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt setzte die Wirksamkeit der Entscheidung des Amtsgerichtes einstweilig aus. Der Senat stellte klar, dass eine „Urlaubsreise in die Türkei unter den derzeitigen Umständen keine Angelegenheit des täglichen Lebens ist, über die die Mutter hier allein entscheiden könne, sodass es der Zustimmung des Vaters bedürfe. Zwar bedarf es einer Zustimmung zur Urlaubsreise nicht generell. Wenn jedoch Umstände vorliegen, nach denen eine Reise besondere Gefahren in sich birgt, die mit dem Reiseziel zusammenhängen und die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen, ist die Durchführung einer solchen Reise nicht mehr von der Alleinentscheidungsbefugnis aus § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB gedeckt.“

Die Türkei sei in letzter Zeit mehrfach Ziel terroristischer Anschläge gewesen. Auch die Region um Antalya war im Jahr 2015 bereits von solchen Anschlägen betroffen. Im konkreten Fall entschied das Gericht, dass weder der Wille des Kindes noch dessen Freude auf den Urlaub den Ausschlag geben können noch die eventuellen finanziellen Folgen eines Rücktritts von der Reise. Im konkreten Fall hielt das Gericht die Befürchtung des Vaters nicht von vornherein für unbegründet, zumal die Regierung der Türkei inzwischen den Ausnahmezustand ausgerufen hat.

Noch vor Jahren hat sich sicher kaum ein Elternteil fragen müssen, ob die Reise des eigenen Kindes in ein anderes Land Gefahren birgt. Solche Fälle häufen sich nunmehr und es steht zu hoffen, dass die Gerichte im Einzelfall sensibel entscheiden. Jeder Fall ist ein Einzelfall und ist individuell gesondert zu betrachten.

Wir sollten uns also bewusst machen, dass wir in einer veränderten Welt leben und dies im Einzelfall bei Bedenken auch deutlich machen.   Weniger anzeigen

18.08.2016  Erbrecht – Vorteile von Teilungsanordnungen

Das Erbrecht ist noch immer ein Tabuthema. Nur ca. 20 % der erwachsenen Deutschen treffen eine letztwillige Verfügung.

Solche Verdrängung ist menschlich gesehen nachvollziehbar, weil eben Dinge, mit denen man sich nicht befassen möchte, gern vor sich hergeschoben werden. Dies bedeutet andererseits ...  Weiter lesen
Das Erbrecht ist noch immer ein Tabuthema. Nur ca. 20 % der erwachsenen Deutschen treffen eine letztwillige Verfügung.

Solche Verdrängung ist menschlich gesehen nachvollziehbar, weil eben Dinge, mit denen man sich nicht befassen möchte, gern vor sich hergeschoben werden. Dies bedeutet andererseits aber auch den Erben eine Situation zu hinterlassen, die ggf. zu Streitigkeiten führt. Noch immer schlimmer ist es aber, dass dann die familiären Bande nicht selten unwiderruflich zerstört erscheinen. Viele letztwillige Verfügungen sind unklar, widersprüchlich oder gar gänzlich unwirksam. Häufig ist es so, dass Erblasser schlicht das niederschreiben, was sie schlicht denken.

Selbstgestrickte Lösungen sind aber häufig irritierend und auslegungsfähig. Wer ein Problem mit dem Auto hat, geht zur Fachwerkstatt. Beim Geld und Vererben ist die Scheu aber noch immer groß, das, was wirklich gewollt ist, von einem Fachmann vertraulich prüfen zu lassen. Häufig werden nur pauschale Regelungen getroffen, Details aber nicht. Bei mehreren Erben erbt die Gemeinschaft zur gesamten Hand. Oft ist es günstig, Teilungsanordnungen zu treffen. Der Vorteil hier ist der, dass sich die Erbquote nicht ändert. Beispiel dazu: Der Erblasser hat 3 Kinder. Weiter ist der Erblasser Eigentümer einer Eigentumswohnung im Erzgebirge, einer Ferienwohnung in Thüringen und Eigentümer einer kostenintensiven Musikinstrumentensammlung. Hier könnte der Erblasser Folgendes regeln: Hiermit setze ich meine Tochter Konstanze, meinen Sohn Martin und meinen Sohn Frank zu Erben zu je 1/3 ein. Im Wege der Teilungsanordnung bestimme ich darüber hinaus Folgendes: Konstanze erhält meine Eigentumswohnung, mein Sohn Martin erhält meine Ferienwohnung in Thüringen, mein Sohn Frank erhält meine Instrumentensammlung.

Hier wäre abgesichert, dass alle 3 Kinder den ihnen konkret zugewandten Gegenstand tatsächlich erhalten würden, ohne dass sich die Kinder intern zu den Gegenständen auseinandersetzen müssten. Falsch ist oft, dass weitergehend nichts geregelt wird. Was gilt also, wenn die Gegenstände unterschiedliche Werte haben? Wie ist der Wert zu bestimmen? Schließlich sind ja alle zu 1/3 als Erbe eingesetzt worden. Geregelt werden könnte hier also Folgendes: „Unterschiedliche Verkehrswerte dieser 3 Gegenstände sind in Geld untereinander auszugleichen. Einigen sich meine Erben über diese Werte nicht, entscheidet ein von der IHK bestimmter Sachverständiger verbindlich.“ Möglich wäre auch einen Testamentsvollstrecker einzusetzen, der für den Streitfall auch als Schiedsgutachter eingesetzt wird.

Fehlt solche Regelung, hat der Richter zu klären, ob und wenn ja, in welcher Weise ein Ausgleich zwischen den Erben erfolgen soll. Wären Sie Richter würden Sie sich u.a. die Frage stellen, welchen Wert die einzelnen Nachlasswerte haben und ob ein interner finanzieller Ausgleich überhaupt gewollt war. Hier wird man zu unterschiedlichen Sichtweisen kommen.

Wenn ein Erblasser 2 Kinder hat und beide je hälftig als Erben einsetzen möchte, aber gleichzeitig regeln möchte, wie der Nachlass intern aufzuteilen ist, könnte z.B. Folgendes geregelt werden:

1. Ich setze hiermit meine Kinder Anna und Max zu je ½ als Erbe ein.

2. Für die Teilung des Nachlasses unter meinen Kindern ordne ich folgende Auseinandersetzungsanordnungen in Form einer Teilungsanordnung an:

a) Meine Tochter Anna erhält in Anrechnung auf ihren Erbteil mein Einfamilienhausgrundstück.

b) Mein Sohn Max erhält in Anrechnung auf seinen Erbteil mein Gartengrundstück.

Auf diese Weise hätte der Erblasser durch Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB einen Miterben einen Vermögenswert unter Anrechnung auf seinen Erbteil zugeordnet. Wenn das Hausgrundstück hier werthaltiger ist als das Gartengrundstück, wird die Tochter Anna gegenüber ihrem Bruder Max sich das anrechnen lassen und ggf. an ihren Bruder einen Ausgleichsbetrag zahlen müssen. Die Erben könnten sich einvernehmlich über eine solche Anordnung hinwegsetzen. Dies lässt sich z.B. durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers verhindern. Ein Streit der Beteiligten über den Wert, mit dem der Gegenstand auf den Erbteil anzurechnen ist, lässt sich dadurch vermeiden, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker für den Streitfall auch als Schiedsgutachter einsetzt.

Was ich sagen möchte: Nicht immer reicht es aufzuschreiben, was der eigene wahre Wille ist. Man sollte auch über den „Tellerrand hinausschauen“ und sich im Zweifel Rat einholen, wie ggf. später ein Gericht das eigene Testament auslegen könnte oder zu Lebzeiten das Gespräch suchen, um eine rechtlich klare und bindende Einigung zu finden.   Weniger anzeigen

09.06.2016  Folgenschwere Irrtümer im Zugewinnausgleich

Eheleute leben gemäß § 1363 BGB im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht durch Ehevertrag etwa anderes vereinbart haben. Zu DDR-Zeiten lebten die Eheleute im Güterstand der „ehelichen Vermögensgemeinschaft“. Die jetzige Zugewinngemeinschaft ist durchaus etwas anderes. Hierzu regelt § 1363 Abs. 2 BGB: „Das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden ...  Weiter lesen
Eheleute leben gemäß § 1363 BGB im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht durch Ehevertrag etwa anderes vereinbart haben. Zu DDR-Zeiten lebten die Eheleute im Güterstand der „ehelichen Vermögensgemeinschaft “. Die jetzige Zugewinngemeinschaft ist durchaus etwas anderes. Hierzu regelt § 1363 Abs. 2 BGB: „Das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten. Dies gilt auch für Vermögen, dass ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt. Der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, wird jedoch ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet.“ Jeder Ehegatte behält also auch nach der Eheschließung sein Vermögen in seinem eigenen „Topf“ und beide „Töpfe“ werden nur ausgeglichen im Erbfall oder im Fall der Scheidung. Im Scheidungsfall funktioniert dies so, dass für jeden Ehegatten zunächst der erworbene Zugewinn ermittelt wird. Der Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen des Ehegatten sein Anfangsvermögen übersteigt. Anfangsvermögen ist, was zum Zeitpunkt der Eheschließung vorhanden war. Endvermögen ist, was zum Zeitpunkt des Zugangs des Scheidungsantrages vorhanden war, also nicht, wie irrtümlich oft angenommen, das Vermögen, das zum Trennungszeitpunkt vorhanden war.

Wenn der Zugewinn des Einen den Zugewinn des Anderen übersteigt, so steht die Hälfte des Überschusses dem Anderen als Zugewinnausgleichsforderung zu. Ein fiktives Beispiel hierzu:

Die Eheleute hatten am 01.05.1991 die Ehe geschlossen. Nach Scheitern der Ehe wurde der Scheidungsantrag am 10.02.2016 zugestellt. Im Anfangsvermögen hatte die Ehefrau ein Vermögen von 5.000,00 €, im Endvermögen einen Betrag von 10.000,00 €, ergibt also bei der Ehefrau einen Zugewinn von 5.000,00 €. Der Ehemann dagegen hat einen Zugewinn von 20.000,00 € erwirtschaftet. Nun rechnet man so: 20.000,00 € Zugewinn Ehemann – 5.000,00 € Zugewinn Ehefrau = 15.000,00 €, geteilt durch 2 = 7.500,00 €. In diesem fiktiven Fall müsste also der Ehemann an die Ehefrau 7.500,00 € Zugewinn zahlen.

Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, den Zugewinn auf der Basis solcher konkreter Stichtage im Bilanzwege zu regeln. Um hier Rechtsnachteile zu vermeiden, ist es unbedingt wichtig, schon während der Ehezeit einen Überblick über die wechselseitigen Vermögenswerte zu haben (Guthaben Girokonto, Lebensversicherungen, Bausparverträge usw.).

In einigen Fällen ist es nun so, dass ein Ehegatte versucht die Gutmütigkeit oder Unwissenheit des anderen Ehegatten auszunutzen und dann noch während der Trennungszeit sein Vermögen „nach unten“ manipuliert.

Auf solche Manipulationsversuche hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich reagiert und in § 1379 BGB geregelt, dass der andere Ehegatte nicht nur Auskunft zum Endvermögen verlangen kann, sondern auch Auskunft zum Zeitpunkt der Trennung.

Wenn das Endvermögen nämlich plötzlich niedriger ausfällt als zum Zeitpunkt der Trennung und der andere Ehegatte hierfür keine triftigen Gründe vortragen kann, wird dem anderen Ehegatten letztlich dieses „verschwundene“ Vermögen fiktiv zugerechnet, sodass illoyale Vermögensverschiebungen nicht akzeptiert werden.

Allerdings ist es in der Praxis bei fehlenden Unterlagen oft schwierig konkrete Zweifel an der Auskunft des anderen Ehegatten darzustellen.

Deshalb der Rat: Schon frühzeitig respektvoll aber konsequent Auskunft zu den jeweiligen Vermögenswerten abfordern und auch entsprechende Belege in Kopie sicherstellen!

Niemand muss im Zweifel bei einem Anwalt sofort ein Mandat begründen. Oft reicht zunächst eine Erstberatung, um auf diese Weise besser einschätzen zu können, wie man künftig agieren sollte.

Ein weiterer Rechtsirrtum besteht darin, dass viele Eheleute meinen, dass es genügt zur Frage Zugewinnausgleich individuelle schriftliche Parteivereinbarungen zu schließen, die nicht notariell beurkundet werden.

Solche sind schlicht unwirksam, also das Papier nicht wert. Vereinbarungen zum Zugewinnausgleich sind im Streitfall nur wirksam, wenn diese notariell beurkundet wurden oder wenn beide Eheleute im Scheidungstermin anwaltlich vertreten sind und entsprechende Vereinbarung gerichtlich protokolliert wird.

Am fairsten ist es, wenn beide Eheleute durch eine individuelle Vereinbarung zunächst vereinbaren, seit wann sie getrennt leben. Wenn der andere Ehegatte solche Bestätigung zum Getrenntlebenszeitpunkt ablehnt, liegt die Vermutung nicht fern, dass dieser später doch nicht fair agieren möchte. Dann sollte klargestellt werden, welchen Trennungszeitpunkt der betroffene Ehegatte für relevant hält und sollte der andere Ehegatte zur Auskunft zum Trennungsvermögen aufgefordert werden, um spätere Veränderungen zum Zeitpunkt Endvermögen prüfen zu können.

Je frühzeitiger agiert wird, umso eher kann ein Konflikt doch noch im besten Fall entschärft werden.   Weniger anzeigen

04.02.2016  Schicksal des Eigenheimes im Trennungs- oder Scheidungsfall

Häufige Frage: Was wird aus unserem Eigenheim, wenn wir unser Unwohlsein tatsächlich durch Trennung oder Scheidung beenden?

Zunächst muss man wissen, dass eine Ehescheidung nicht davon abhängt, ob sich die Eheleute, die meist beide zu ½ im Grundbuch eingetragen ...  Weiter lesen
Häufige Frage: Was wird aus unserem Eigenheim, wenn wir unser Unwohlsein tatsächlich durch Trennung oder Scheidung beenden?

Zunächst muss man wissen, dass eine Ehescheidung nicht davon abhängt, ob sich die Eheleute, die meist beide zu ½ im Grundbuch eingetragen sind, auch zum Schicksal des Grundstücks verständigen. Ohne Einigung bleiben beide nach der Scheidung als Miteigentümer verbunden, mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten, die das BGB regelt. Sinnvoll ist es dennoch, das Trennungsjahr zu nutzen, um auch für das Haus eine akzeptable Lösung zu finden. Das hat den Vorteil, dass zum Scheidungstermin tatsächlich „alles“ geregelt ist und im Nachgang kein neuer Streit entstehen kann, wie z. B. die Frage, welche Investitionen wirklich notwendig sind.

Oft bestehen noch Hausverbindlichkeiten, die nach der Trennung nur einer zahlt, meist der, der im Hausgrundstück verblieb. Der ausgezogene Partner ist trotz seines Auszuges in Höhe der Hälfte der Hausverbindlichkeiten im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs dem anderen gegenüber verpflichtet. Im Gegenzug stehen dem ausgezogenen Partner meist Nutzungsvergütungsansprüche gegenüber dem Partner zu, denn der Ausgezogene profitiert ja nicht mehr durch eigenes Wohnen vom Hausgrundstück. Wenn beide Ansprüche in ziemlich gleicher Höhe bestehen, droht keine Gefahr, da sie sich ja oft „unter dem Strich“ aufheben. Anders aber, wenn die hälftigen Kreditbelastungen niedriger sind als die Nutzungsvergütungsansprüche des anderen Beteiligten.

Während der Zeit bis zur rechtskräftigen Ehescheidung halten sich mögliche Nutzungsvergütungsansprüche gegenüber dem im Haus lebenden Ehegatten noch in Grenzen. Teurer wird dies aber ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Ehescheidung, denn dann ist der objektive Wohnwert der Immobilie zugrunde zu legen. Bewohnt der im Haus verbliebene Ehegatte eine Immobilie mit einer Grundfläche von z. B. 100 m² und wird z. B. ein Wohnwert von 6,00 €/m² festgestellt, sprechen wir immerhin von ca. 600,00 € monatlich. Im konkreten Fall wären das, wenn keine Hauskredite mehr zu tilgen wären, monatlich 300,00 €, die gemäß §745 Abs. 2 BGB verlangt werden könnten.

Wer meint, den anderen Miteigentümer auf lange Zeit hinhalten zu können, indem er keine oder nur unangemessene Angebote zur Regelung des Hausgrundstücks unterbreitet, ist langfristig nicht gut beraten, denn der andere Beteiligte wird ggf. „Zeit schinden“, also Monat für Monat vergehen lassen und später ggf. seine Ansprüche als Geltendmachung addieren und als Gesamtsumme geltend machen, daneben noch laufende Nutzungsvergütung fordern oder Zustimmung zum Verkauf an Dritte verlangen.

Wer um diese Folgen weiß, wird bemüht sein, dem anderen Partner zeitnah ein faires angemessenes Angebot zu unterbreiten zur übernahme dessen hälftigen Miteigentumsanteil. Wenn dieser z. B. 40.000,00 € wert ist und keine Hausverbindlichkeiten mehr bestehen, macht es Sinn diesen Betrag zu finanzieren, statt lange zu feilschen. Wenn noch Hausverbindlichkeiten bestehen, die übernommen werden sollen, wird sich der Abgeltungsbetrag natürlich niedriger beziffern.

Hofft der im Hausgrundstück lebende Partner, dass er den Anteil des Anderen weit unter Wert oder zum Nulltarif bekommen kann, geht er schlicht das Risiko ein, dass der andere Partner sich dann eher darauf konzentriert, seine Nutzungsvergütungsansprüche gerichtlich geltend zu machen und seinerseits die Sache „auszusitzen“. Jeder Monat, der dann so vergeht, kostet zusätzlich Geld, was man eigentlich ja nicht ausgeben wollte.

In allen Fällen gilt, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen Positionen mit Respekt und realistisch beurteilen sollten.

Derjenige, der weicht und weiß, dass der andere Beteiligte aus finanziellen Gründen nicht in der Lage ist, den vollen Wert des hälftigen Miteigentumsanteils auszuzahlen, ist gut beraten, wenn er von seinen eigenen Vorstellungen Abstriche macht und sich dennoch vergleichsweise verständigt, damit eben nicht Dritte vom Streit profitieren.

Ein Anderer, der einen möglichst geringen Auszahlbetrag anbieten möchte, sollte selbst gegenprüfen, ob er, wenn er in der Situation des anderen Beteiligten wäre, sein eigenes Angebot für „fair“ halten würde und ob es tatsächlich dienlich ist „so hoch zu pokern“.

Und seien wir ehrlich: Natürlich stimmt es, dass man Kraft und Herzblut in das Anwesen gesteckt hat. Auch ist in vielen Fällen richtig, dass man das Hausgrundstück auch für die Kinder mit erbaut hatte. Die Realität ist aber oft, dass die groß gewordenen Kinder später andere Lebenspläne verfolgen. Das, was vor 20 oder 30 Jahren einvernehmlich gewollt und geplant war, war damals sicher richtig und wurde auch gelebt. Im Trennungsfall muss aber nach Lösungen gesucht werden, die der jetzigen Interessenlage der Beteiligten gerecht werden.

Insofern sollte man sich selbst fragen, wie weit man auf den anderen Beteiligten noch zugehen kann, um doch noch eine außergerichtliche Verständigung zu finden, um Zeit und Geld für eine gerichtliche Auseinandersetzung zu sparen. Nur so hat man die Dinge noch selbst in der Hand und macht sich nicht abhängig vom Lauf eines gerichtlichen Verfahrens.   Weniger anzeigen

10.12.2015  Mut zu „wahren“ Geschenken

Dezember - Monat emsigster Arbeit und feierlichsten Innehaltens. Oft Hektik beim Besorgen von Geschenken, Telefone läuten, Grüße schreiben und empfangen. Uns allen geht das so. Doch wie oft agieren wir doch an den wirklichen Wünschen vorbei und lassen die Chance verstreichen sie zu erfüllen.

Eine Anwaltskanzlei ist ...  Weiter lesen
Dezember - Monat emsigster Arbeit und feierlichsten Innehaltens. Oft Hektik beim Besorgen von Geschenken, Telefone läuten, Grüße schreiben und empfangen. Uns allen geht das so. Doch wie oft agieren wir doch an den wirklichen Wünschen vorbei und lassen die Chance verstreichen sie zu erfüllen.

Eine Anwaltskanzlei ist ein riesiger Spiegel zu erfahren was Menschen wirklich bewegt. Der Geschäftsmann, der im Streit mit seinem Mitgesellschafter bei der Abwicklung der Gesellschaft ist, der Ehegatte, der sich einvernehmliche Regelungen zu den Folgen der Trennung wünscht, Großeltern, die sich Umgang mit ihren Enkeln wünschen, Mitarbeiter, die sich mehr Anerkennung vom Vorgesetzten wünschen. All das spiegelt wider, was oft wirklich wichtig erscheint. Gerade kurz vor Weihnachten verdichtet sich oft der Wunsch, dieses eigene Problem unbedingt noch im alten Jahr lösen zu wollen. Meine Mitarbeiter und ich wissen um diese Problematik und investieren also auch in dieser Zeit viel Geduld und Ohr.

Schwierig wird es, wenn noch am 23.12. ein emotional schwieriger Termin bei Gericht ansteht, von dem sich ein Beteiligter Klärung seines Problems verspricht, der andere aber wenig Interesse an einer Verständigung zeigt. Da wird man abends zu Hause ganz still und fragt sich oft, ob der Streit diesen Gang eigentlich wert ist. Weshalb waren beide oder eine der Parteien nicht bereit, frühzeitig Hilfe von Dritten anzunehmen und ein Stück auf den anderen zuzugehen? Und ich frage mich natürlich auch, wer eigentlich mein eigenes Festtagsmahl zubereitet, wenn mir die Zeit oder Muße dazu fehlt.

Wie „nervt“ es die Beteiligten, wieder Post in der Sache zu bekommen, Wut zu spüren usw. Dabei ist es doch oft gar nicht so schwierig Frieden zu schaffen. Wir müssen nur bei uns selbst anfangen und dem anderem, auch wenn es schwer fällt, versuchen mit Achtung und Respekt zu begegnen. Dann lassen sich Schritt für Schritt Lösungen finden, die auch geeignet sind künftigen Streit zu vermeiden. So könnten in obigen Beispielen die beiden streitenden Gesellschafter wechselseitig ihre Vorstellungen darstellen, versuchen den Konflikt über die Einschaltung eines Mediators zu bereinigen, ohne zeit- und kostenintensives Gerichtsverfahren, aber eben nur wenn beide bereit sind, wechselseitig nachzugeben. Konflikte zwischen getrennt lebenden Partnern können manchmal durch kleine, nette Gesten entschärft werden. Wäre es nicht schön, wenn die Mutter, bei der die Kinder leben, beim Plätzchenbacken einige davon einfach auch für den Vater mit bäckt und die Kinder sich freuen dürfen, wenn sie den Vater damit überraschen können. Das wäre eine Geste, die helfen kann Frieden zu schaffen, auch wenn die Elternbeziehung gescheitert ist und bleibt. Die Kinder werden es danken. Oder wenn die Kinder z. B. einfach überraschend die Großeltern besuchen können, die sie schon lange nicht gesehen haben. Was hält uns ab so zu agieren? Oft verletzter Stolz, Gefühle usw.? Weihnachten ist eine Zeit des Innehaltens. Wenigstens da wären solche kleinen Höhepunkte doch für alle friedlich, egal ob der andere das auch schafft.

Ein für mich weiser Mensch hatte mir mal gesagt: „Es ist egal, was früher passierte. Leb' im Jetzt und sei dankbar, egal ob da ein Danke vom anderen zurückkommt. Du kannst und musst nicht aufhören immer wieder zu geben. Das ist gut für dich selbst. Und nimm Dinge an, die du nicht ändern kannst!“. Recht hat er. „Leben und leben lassen“ ist ein guter Leitfaden, der hilft gelassen zu leben.

Ich bin froh gesund zu sein und innerlich aufgeräumt Weihnachten begehen zu können, auch froh, nicht nach Geschenken schauen zu müssen, die ich sowieso nicht rechtzeitig beschaffen kann oder will. Die Menschen um mich herum verstehen das Glück. Für diese geschenkte Zeit bin ich dankbar. Und noch friedlicher fühlt es sich an, wenn man auf unserem gemütlichen Weihnachtsmarkt oder anderswo Menschen sieht, denen es mit Geduld und offener Kommunikation gelang, auch für sich und andere Frieden zu schaffen. Nehmen wir uns doch Zeit mal genauer hinzuschauen, was sich der andere wünscht und schenken das, was für den anderen wichtig ist. Es könnte gut sein, dass damit ein angespanntes Klima entschärft werden könnte. Für die Oma ist das vielleicht endlich mal der lange gemeinsame Nachmittag mit den Enkeln ohne Zeitdruck, für den Radfahrer eine Idee für eine neue Route im schönen Erzgebirge usw.

Haben Sie Mut zu „wahren“ Geschenken!

Wir wünschen allen Mandanten frohe Weihnachten und dass die wichtigsten Wünsche in Erfüllung gehen mögen.   Weniger anzeigen

08.10.2015  „Lügen haben kurze Beine“

So lautete der Tenor einer Fortbildungsveranstaltung, die ich kürzlich mit Interesse besuchte. Praktizierende Anwälte werden mir sicher in der Erfahrung Recht geben, dass vor Gericht die Wahrheit gern verzerrt wird, sprich: mancher sich der Lüge bedient, um dem Anderen zu schaden. Besonders bitter ist dies bei ...  Weiter lesen
So lautete der Tenor einer Fortbildungsveranstaltung, die ich kürzlich mit Interesse besuchte. Praktizierende Anwälte werden mir sicher in der Erfahrung Recht geben, dass vor Gericht die Wahrheit gern verzerrt wird, sprich: mancher sich der Lüge bedient, um dem Anderen zu schaden. Besonders bitter ist dies bei Sexualstraftaten, wenn jemand unschuldig einer solchen bezichtigt wird.

Auch im familiengerichtlichen Verfahren stellt die Lüge ein beliebtes Mittel dar, um z. B. den anderen Elternteil in ein schlechtes Licht zu rücken und das Gericht zu überzeugen, dass der andere Elternteil etwa gefährlich für das gemeinsame Kind sei.

Erfreulich ist, dass nun der Polygrafentest (Lügendetektortest) wohl doch von mehreren deutschen Gerichten zugelassen wird. In der Vergangenheit war dies nicht der Fall, so dass viele Bürger den Lügendetektor in der Regel nur aus amerikanischen Filmen kennen. Der Bundesgerichtshof lehnt die Verwertbarkeit von solchen Tests bisher strikt ab, mit der Begründung, dass die Verwertbarkeit im Strafverfahren gegen die Menschenwürde verstoßen würde. Andere Länder, wie z. B. Polen, haben eine völlig andere Praxis. Dort ist dieser Test ohne weiteres zugelassen.

Nun stellte sich einem Richter des Amtsgerichtes Bautzen die Frage, weshalb er dem Beschuldigten nicht gestatten sollte, einen „Entlastungsbeweis“ vorzulegen, indem er sich einem Lügendetektortest unterzieht. Im dortigen Fall war es so, dass die Ehefrau ihren Ehemann der Vergewaltigung bezichtigt hatte, was dieser strikt zurückwies. Dieser hatte sich dann freiwillig einem Test unterzogen, welcher zum Ergebnis kam, dass seine Aussage, seine Ehefrau nicht vergewaltigt zu haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit wahr sei.

Im Ergebnis sprach das Amtsgericht Bautzen den Beschuldigten frei. Hintergrund war u. a. auch der, dass die Ehefrau diesen Test nicht bestand.

Unabhängige Studien zeigten, dass die Genauigkeit eines Lügendetektortestes bei mehr als 98,5 % liegt und eine Manipulation durch den zu Prüfenden sehr schwer ist. Die Polygrafen messen natürlich nicht, ob jemand lügt oder die Wahrheit sagt. über verschiedene Sensoren erfassen Polygrafen nur körperliche Reaktionen bei konkreten Fragen, wie z. B. Hautleitfähigkeit, Atemfrequenz, Blutdruck und Puls und zeichnen sie auf. Diese Daten können nicht bewusst kontrolliert werden. Die körperlichen Reaktionen des Betroffen spiegeln wider, was für den Untersuchten wichtig war oder ist. Wichtig ist, dass der Test durch ausgebildete Psychologen durchgeführt wird, also diese den Betroffenen ausgefeilt befragen. Beim sogenannten Vergleichsfragentest werden tatrelevante Fragen, z. B.: „Haben Sie Frau XY vergewaltigt?“ oder „Waren Sie am Tatort?“ mit nicht tatrelevanten Fragen, z. B.: „Sind Sie 30 Jahre alt?“, „Sind Sie mit Frau XY verheiratet?“ usw. gemischt.

Bei Auswertung der gestellten Fragen, für deren Beantwortung jeweils Punkte vergeben werden, ergibt sich ein Bild, welches entweder für die Schuld oder die Unschuld spricht. Das Amtsgericht Bautzen hat hier eine Tür geöffnet, welche Hoffnung macht, dass insbesondere unschuldig Verdächtige sich künftig schneller falscher Vorwürfe erwehren können. So ist der Lügendetektortest in Familiensachen auch geeignet nachzuweisen, ob der beschuldigende Elternteil den von ihm geäußerten Verdacht wider besseres Wissen aufgebracht hat.

Bei allen Vorfällen, bei denen „Aussage gegen Aussage“ besteht, kann die Wirkung eines seriös durchgeführten Polygrafentestes wichtig sein. Ich selbst habe mich im Rahmen der Fortbildung davon überzeugen können, wie der Polygrafentest konkret funktioniert, welche Geräte eingesetzt werden, wie die Körperfunktionen aufgezeichnet werden (für einen Laien vergleichbar mit einem EKG) usw. Auch ich selbst gehe davon aus, dass der eigene Körper auf wesentliche Fragen auch wesentlich reagieren wird, gerade wenn der Kopf noch so sehr arbeitet und versucht, das Messergebnis zu beeinflussen.

Im deutschen Recht gilt zwar die Unschuldsvermutung. Rein praktisch ist es aber so, dass, so lange ein Verdacht in der Welt ist, sich dieser doch belastend für den Betroffenen auswirkt. Diese Zeit muss der Betroffene nicht untätig abwarten, zumal die Kosten eines solchen Tests finanzierbar erscheinen.

Der Polygrafentest kann hier ein praktikabler Weg sein. Auch die Richter des OLG Dresden scheinen dem Polygrafentest aufgeschlossen gegenüber zu stehen, stellen aber zu Recht klar, dass dieser Test aktuell aufgrund der strengen BGH-Rechtsprechung noch nicht als Beweismittel angesehen wird, aber als starkes Indiz gewertet werden kann, also als ein Puzzlestein in der Gesamtwürdigung des Einzelfalls durchaus gewichtet wird.   Weniger anzeigen

13.08.2015  Trennung oder Scheidung light? Möglich?

Das Leben ist kein Wunschkonzert. Lebenslinien laufen plötzlich jeweils andere Wege. Ein Herz schlägt anders als das des anderen. Ausgesprochene oder unausgesprochene Vorwürfe liegen in der Luft. Abwarten? Aussitzen? Zügig Trennung oder Scheidung? Die überlegung mancher Menschen in solcher Situation: Wenn Scheidung, dann möglichst ...  Weiter lesen
Das Leben ist kein Wunschkonzert. Lebenslinien laufen plötzlich jeweils andere Wege. Ein Herz schlägt anders als das des anderen. Ausgesprochene oder unausgesprochene Vorwürfe liegen in der Luft. Abwarten? Aussitzen? Zügig Trennung oder Scheidung? Die überlegung mancher Menschen in solcher Situation: Wenn Scheidung, dann möglichst einverständlich und einfach und ohne hohe Kosten. Ja, natürlich ist das möglich, wenn der Partner ebenso tickt, man nicht um Kinder, Haus und Vermögen oder einzelne Dinge streiten will oder muss. Bei einzelnen Paaren mag dies so sein und auch so funktionieren. Der Anwalt vertritt nur einen Beteiligten, der andere stimmt zu.

Das Leben ist tatsächlich aber bunter. Beide wollen zwar eine einverständliche Ehescheidung und sagen das klar auch so. Das Problem ist aber oft, dass man bei konkretem Befragen dann doch unterschiedliche Auffassungen zu Detailfragen hat, z. B. zur Höhe des zu zahlenden Kindesunterhaltes, zu Umgangsfragen oder zur Frage der Tilgung gemeinsamer Kredite. Schnell wuchern plötzlich die eigentlichen Befindlichkeiten ans Licht. Der Konflikt spitzt sich zu. In solchen Fällen erscheint es hilfreicher, wenn jeder einen eigenen Anwalt seines Vertrauens hätte und beide Anwälte im gemeinsamen Gespräch versuchen, einen fairen Interessenausgleich über eine sogenannte Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung auszuhandeln. Auf diese Weise könnte dann die Ehescheidung doch noch einverständlich erfolgen, ohne dass sich das Gericht mit den Detailfragen befassen müsste.

Gleiches gilt bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften, die solche Details über einen Partnerschaftsvertrag regeln könnten.

Der Weg dahin setzt allerdings voraus, dass beide Beteiligte bereit sind, einige Grundregeln zu verinnerlichen und zu leben, z. B.:

1. Wenn die Liebe abhandenkommt, versuchen Sie dennoch dem Anderen mit Achtung und Respekt zu begegnen, auch wenn Sie dessen Reaktionen oder dessen Schweigen nicht nachvollziehen können. Es hilft, die Atmosphäre nicht unnötig zu vergiften und vielleicht doch noch Antworten zu bekommen.

2. Wut ist ein schlechter Ratgeber. Meist führt sie nur zu neuer Wut. Besser ist es zu schauen, dass wir die Dinge so nehmen wie sie sind und versuchen, das Beste daraus zu machen. Wir können den jeweils Anderen nicht ändern, jedenfalls wenn entsprechende Bemühungen über Beratungsstellen oder sonstige Dritte scheiterten.

3. Trennung heißt nicht automatisch Scheidung. Nutzen Sie das Trennungsjahr oder länger, um sich klar zu werden, ob die Lebensgemeinschaft wiederbelebt werden soll oder nicht. Scheuen Sie sich nicht geänderte Wünsche Ihrem Anwalt mitzuteilen.

4. Informieren Sie sich möglichst schon in Zeiten der Krise über Ihre Rechte und machen diese vorsorglich geltend. Wer z. B. über mehr als 1 Jahr keinen Trennungsunterhalt geltend macht, geht ggf. die Gefahr ein, dass der Andere dahingehend argumentiert, diese Ansprüche seien durch langes Schweigen verwirkt.

5. Seien Sie großzügig, wenn es darum geht, solche Ansprüche durchzusetzen. Manchmal scheint es charmanter und langfristig befriedender, nicht um jeden Euro, der aus rechtlicher Sicht zustehen mag, zu kämpfen, sondern Kompromisse zu schließen. Was nützt es z. B. 5.000,00 € Zugewinnausgleich gerichtlich unter Beantragung von Verfahrenskostenhilfe geltend zu machen, wenn Sie ggf. im Nachgang an die Staatskasse später zugeflossenes Geld einsetzen müssen, um die Verfahrenskostenhilfe zurückzuzahlen?

6. Versuchen Sie sich in jeder Phase des Konfliktes in die Lage des Anderen hineinzuversetzen. Können Sie, wären Sie an seiner Stelle, dessen Verhalten besser nachvollziehen? Mediatoren nennen diese Sichtweite Perspektivwechsel - oft wirklich hilfreich.

7. Behüten Sie die Interessen Ihrer Kinder! Sie wollen und können den Konflikt auf Partnerebene nicht verstehen und wünschen sich meist, dass sie weiter beide Elternteile genießen können. Sie sind keine Schutzschilde, um den anderen zu bestrafen. Schaffen Sie das, werden das die Kinder danken.

8. Alle Bedenken, die Sie haben und die Sie abhalten, einer großzügigen umfassenden Gesamteinigung zuzustimmen, sollten Sie mit Ihrem Anwalt erörtern und darauf vertrauen, dass dieser kein Streiter im klassischen Sinne ist, sondern bereit ist, befriedende Wege zu gehen.

Nein, eine Trennung oder Scheidung ist keine leichte Angelegenheit. Auch in den Fällen, in denen solche vermeintlich einverständlich erfolgt, bleiben oft unerfüllte Erwartungen. Dennoch kann es gelingen, gelassen in die Zukunft zu schauen. Wer es nicht schafft, sich geduldig auf vorstehende Grundsätze einzulassen, wird doch immer wieder hadern. Um befriedende Gesamteinigungen bemühte Anwälte oder Mediatoren sind bemüht, die Gesamtheit der Befindlichkeiten zu erfassen und in gesunde Bahnen zu lenken. Dies funktioniert allerdings nur, wenn der Betroffene auch bereit ist, sich umfassend auf solche Verständigung einzulassen. Nutzen Sie die Chance und gehen Ihren Weg mit dem Ziel möglichst außergerichtlicher Verständigung. Es wäre viel gewonnen, wenn es gelänge, Gelassenheit zu finden, statt sich immer wieder in neue Konflikte zu verstricken.   Weniger anzeigen

10.04.2015  Chancen und Risiken im Kündigungsschutzprozess

Wir haben in Deutschland recht strenge arbeitnehmerfreundliche Regelungen, die es jedem Arbeitnehmer ermöglichen, im Zweifel das Arbeitsgericht anzurufen und dort die Wirksamkeit einer Kündigung prüfen zu lassen, jedenfalls wenn die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden, also wenn das Arbeitsverhältnis länger als ...  Weiter lesen
Wir haben in Deutschland recht strenge arbeitnehmerfreundliche Regelungen, die es jedem Arbeitnehmer ermöglichen, im Zweifel das Arbeitsgericht anzurufen und dort die Wirksamkeit einer Kündigung prüfen zu lassen, jedenfalls wenn die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden, also wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestand und der Arbeitgeber mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist aus verschiedenen Gründen möglich, so aus personenbedingten Gründen (z. B. bei Diebstahl, Unterschlagung o. ä.), krankheitsbedingten Gründen (insbesondere bei längerer Krankheit) und aus betriebsbedingten Gründen. Eine Kündigung muss stets schriftlich erfolgen. Wem als Arbeitnehmer eine solche Kündigung zugeht, steht vor der Frage, ob es sich lohnt, sich gegen solche Kündigung zu wehren. Hier können Freunde, Bekannte und auch das Internet zwar Ratschläge geben, jedoch ist jeder Fall spezifisch. Die Zeit zur Prüfung dafür ist recht kurz, denn Kündigungsschutzklage muss im Zweifel innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden. Versäumt der Arbeitnehmer diese Klagefrist, wird es schwierig.

Wenn nun ein Arbeitnehmer eine Kündigung erhält und er schon selbst bezweifelt, dass wirksame Kündigungsgründe tatsächlich vorliegen, macht es u. U. Sinn, solche Kündigungsschutzklage einzureichen, mit dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde. Gewinnt der Arbeitnehmer das Verfahren, hätte dies zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis zu alten Bedingungen fortbesteht. Verliert er das Verfahren, wäre klar, dass die Kündigung wirksam wäre.

In solchen Fällen terminiert das Arbeitsgericht eine sogenannte Güteverhandlung, um abzuklären, ob eine vergleichsweise Verständigung zwischen den Parteien möglich ist. Dieser Gütetermin wird dann oft genutzt, um eine Einigung dahingehend zu finden, dass die Kündigung tatsächlich Bestand hat, aber der Arbeitgeber eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt. Als Faustformel wird zu Beginn der Verhandlungen ein halber Monatsverdienst pro Beschäftigungsjahr für die Höhe der Abfindung zugrunde gelegt und dann je nach Einzelfall davon abgewichen. In vielen Fällen gelingt es, das Kündigungsschutzverfahren auf diese Weise zu bereinigen.

Einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung kennt das Gesetz, entgegen der landläufigen Meinung, aber gerade nicht. Nur in seltenen Fällen, in denen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer schlicht unzumutbar erscheint, z. B. wegen Mobbing, kann der Arbeitnehmer bei Gericht beantragen, dass das Arbeitsverhältnis endet gegen Zahlung einer Abfindung. Der Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, zur Bereinigung des Rechtsstreites eine Abfindung zu zahlen, denn es steht auch frei, das Kündigungsschutzverfahren auszustreiten, wobei beide Vertragsparteien das volle Prozessrisiko haben. Ob dem Arbeitnehmer im Fall eines für ihn positiven Urteils tatsächlich geholfen ist, hängt vom Einzelfall ab. In vielen Fällen ist es ja so, dass selbst der Arbeitnehmer „nicht wirklich“ mehr Interesse an einer tatsächlichen Fortbeschäftigung hat, sondern er eben die Abfindung möglichst hoch aushandeln möchte.

Man sollte genau prüfen, ob es Sinn macht hoch „zu pokern“ und im Gütetermin eine Abfindung nach vorstehender Faustformel zu verlangen. Bei 10 Jahren Beschäftigungsdauer und einem Monatsverdienst von 1.500,00 € wären dies immerhin 7.500,00 € Abfindung. Der betroffene Arbeitgeber wird wirtschaftlich und menschlich genau überrechnen, ob es für ihn Sinn macht, eine solch hohe Abfindung zu zahlen oder ob es für ihn eher Sinn macht, im Falle eines Unterliegens den Arbeitnehmer schlicht fort zu beschäftigen. Es kann also im Einzelfall sein, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lieber fortbeschäftigt, als diesem eine Abfindung zu zahlen. Ob dieser „bessere Fall“ für den Arbeitnehmer tatsächlich Sinn macht, ist zu überdenken. Es gilt Augenmaß zu bewahren, was jeweils gewünscht ist und was am Ende praktikabel erscheint. Dazwischen liegen oft Welten.

In solchen Fällen wäre es zielführend, wenn alle Beteiligten nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich agieren und wechselseitig aufeinander zugehen würden, also unabhängig von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage. Auf diesem Weg lassen sich oft vernünftige und für beide Parteien praktikable Lösungen finden, ohne dass das Gericht streitiges Urteil erlassen muss. Wenn diese Vergleichsgespräche scheitern, müssen beide Beteiligte mit dem Urteil des Arbeitsgerichtes leben, wenn sie nicht noch das Berufungsgericht anrufen wollen.

Im Regelfall macht es Sinn, bei Erhalt einer Kündigung, egal aus welchen Gründen auch immer, diese tatsächlich prüfen zu lassen und das Ergebnis der Beratung zu verinnerlichen, bevor man weitergehende Maßnahmen wie z. B. Klageerhebung veranlasst. Jeder ergebnisorientierte Anwalt wird versucht sein, die Sache mit der Gegenseite bzw. dem Anwalt der Gegenseite auf direktem Weg zu klären. Immerhin gibt es die Möglichkeit, eine solche vergleichsweise Verständigung dann auch zu Händen des Gerichtes protokollieren zu lassen, so dass das Gericht dann Zustandekommen eines solchen Vergleiches (Einigung) feststellen könnte.   Weniger anzeigen

12.02.2015  Erhöhung der Selbstbehaltsätze im Unterhaltsrecht zum 01.01.2015

Das Unterhaltsrecht erscheint für manchen Betroffenen als „Buch mit 7 Siegeln“. Hintergrund ist schlicht der, dass jeder Fall bei genauer Betrachtung doch etwas anders gelagert ist als ein vermeintlich vergleichbarer Fall.

Grundsatz ist im Unterhaltsrecht schlicht der, dass der betreuende Elternteil den Unterhalt ...  Weiter lesen
Das Unterhaltsrecht erscheint für manchen Betroffenen als „Buch mit 7 Siegeln“. Hintergrund ist schlicht der, dass jeder Fall bei genauer Betrachtung doch etwas anders gelagert ist als ein vermeintlich vergleichbarer Fall.

Grundsatz ist im Unterhaltsrecht schlicht der, dass der betreuende Elternteil den Unterhalt durch Betreuung und Versorgung sicherstellt, der nicht betreuende Elternteil dagegen durch Barunterhaltszahlungen. Das jeweilige Kind leitet seine Lebensstellung schlicht von der Lebensstellung der Eltern ab. Lebt das Kind im Alltag bei der Kindesmutter und hat der Kindesvater recht gute Einkommensverhältnisse, so ist auch entsprechend Kindesunterhalt zu zahlen, wobei in der Regel zumindest der Mindestunterhalt zu zahlen ist. Bei der 1. Einkommensgruppe (bis 1.500,00 € netto) der Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.01.2015, ist für ein Kind in den

  • Altersstufen 0 – 5 Jahre 317,00 €
  • Altersstufen 6 – 11 Jahre 364,00 €
  • Altersstufen 12 – 17 Jahre 426,00 €

Kindesunterhalt geschuldet.

Da noch das staatliche Kindergeld abzuziehen ist, ergibt sich für ein erstes und zweites Kind letztlich ein Zahlbetrag von 225,00 €; 272,00 € oder 334,00 €.

Jeder Vater, der laufenden Kindesunterhalt schuldet, muss sich also bemühen, zumindest diesen Mindestunterhalt sicherzustellen. Reicht sein Einkommen nicht, hat er alles in seiner Macht Stehende zu tun, ggf. durch Nebenbeschäftigung oder sonstigen Maßnahmen den Mindestunterhalt tatsächlich zu zahlen. Es reicht nicht, pauschal zu behaupten, dass ihm dies nicht möglich ist. Vielmehr trifft den Vater hier die konkrete Beweislast für seine mangelnde Leistungsfähigkeit. Gelingt es dem Zahlungspflichtigen nachzuweisen, dass er den geschuldeten Unterhalt so nicht zahlen kann, kann er sich berechtigterweise auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen, also der Betrag, den er selbst zur Bestreitung seines eigenen Lebensunterhaltes benötigt, zwischenzeitlich zum 01.01.2015 bei Erwerbstätigen von bisher 1.000,00 € nun auf 1.080,00 € erhöht wurde und bei nicht Erwerbstätigen von bisher 800,00 € auf 880,00 € erhöht wurde. In diesen Selbstbehaltssätzen sind jeweils 380,00 € Warmmiete enthalten. Dem Unterhaltspflichtigen soll schlicht das belassen werden, was dieser selbst für seinen eigenen Lebensunterhalt benötigt.

Die Selbstbehaltsätze wurden deshalb erhöht, da auch der sozialrechtliche Regelbedarf zum 01.01.2015 erhöht wurde. Der Gesetzgeber hat also als Ausgangspunkt die einem alleinstehenden Hilfeempfänger bewilligten Sozialleistungen seinen überlegungen hier zugrunde gelegt. Der Gedanke dahinter war der, dass dem Unterhaltspflichtigen eine vergleichbare Lebensführung ermöglicht werden muss.

Wenn also ein unterhaltspflichtiger Elternteil z. B. ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.300,00 € bezieht, keine zusätzlichen Leistungen für Altersvorsorge usw. tätigt und 5% für berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden, ergibt sich ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen von 1.235,00 €. Unter Berücksichtigung des neuen Selbstbehaltes von 1.080,00 € ergibt sich damit letztlich nur eine Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen in Höhe von 155,00 €, also weniger als der sonst geschuldete Mindestunterhalt.

Auf diese mangelnde Leistungsfähigkeit kann sich der Unterhaltspflichtige auch berufen, wenn er nachweist, dass es ihm objektiv unmöglich ist, noch einer Nebenbeschäftigung nachzugehen oder anderweitig höhere Einkünfte zu erzielen. Der beste Prüfmaßstab für das, was ein Unterhaltspflichtiger tatsächlich schuldet, ist nach Auffassung der Autorin ein Blick auf die Lebenswirklichkeit der Eltern während der Zeit des Bestehens ihrer Beziehung. Wenn es schon damals so war, dass der Unterhaltspflichtige zwar einer seiner Berufsausbildung angemessenen Arbeit nachgeht, aber nur begrenzte Einkommensverhältnisse hatte, ist es konsequent, dass nach Scheitern der Beziehung keine höheren Anforderungen gestellt werden können. Andererseits ist es nicht hinnehmbar, wenn ein Unterhaltspflichtiger, der im Hinblick auf seinen Berufsabschluss und einen seinen bisherigen beruflichen Werdegang durchaus in der Lage wäre, höheren Unterhalt zu zahlen, dann plötzlich nach der Trennung meint, nur begrenzt leistungsfähig zu sein und weniger als den Mindestunterhalt zahlen möchte.

In der alltäglichen Beratungspraxis geht es also stets darum, konkret hinzuschauen, was vom Unterhaltspflichtigen tatsächlich verlangt werden kann, wenn dieser alle ihm obliegenden Ressourcen ausnutzt, ohne objektiv unmögliche Forderungen zu erheben.

Wichtig ist in allen Fällen, dass der betroffene unterhaltspflichtige Elternteil konkret darlegt, wie es um seine berufliche Ausbildung steht, welche Einkünfte er in der Vergangenheit erzielt hat und was ihm aktuell objektiv gesehen an Nebenbeschäftigung usw. möglich ist und was nicht. Wenn sich also ein Unterhaltspflichtiger, der grundsätzlich bereit ist, laufenden Unterhalt zu zahlen, darlegt und nachweist, dass er sich erfolglos um Nebenbeschäftigung usw. bemüht hat, oder ihm vom Arbeitgeber eine Nebenbeschäftigung untersagt wurde, kann und muss sich der Unterhaltspflichtige letztlich auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen und muss dann eben, wie im vorstehenden Beispiel beschrieben, nur das zahlen, was seine Leistungsfähigkeit tatsächlich hergibt, also nur 155,00 € statt des grundsätzlich geschuldeten Mindestunterhaltes.

Ähnliche Gesichtspunkte gelten auch bei Trennungs- und nachehelichen Ehegattenunterhalt. Auch dort wurden die Selbstbehaltsätze zwischenzeitlich erhöht.

Die aktuelle Unterhaltsleitlinie des OLG Dresden, die für die hiesige Region relevant ist, kann eingesehen werden unter www.justiz.sachsen.de/olg/content/564.htm.

Wer als Unterhaltspflichtiger in begrenzten finanziellen Verhältnissen lebt und einschätzt, dass sein Selbstbehalt bei objektiver Betrachtung nicht gewahrt ist, kann und sollte im Zweifelsfall anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. Wer hier Angst vor Kosten hat, kann und sollte sich an sein zuständiges Amtsgericht wenden und ggf. Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe stellen. Sollte ihm ein Berechtigungsschein für Beratungshilfe ausgestellt werden, hat er bei einem beratenden Anwalt lediglich einen Eigenanteil von 15,00 € zu zahlen. Im Zweifel gilt der Rat, die Scheu vor Kosten abzulegen und bei einem Anwalt seines Vertrauens zu den Kosten für die Beratung konkret nachzufragen.

Gerade in den Fällen, in denen noch kein Unterhaltstitel vorliegt (Urkunde des Jugendamtes oder gerichtliches Urteil bzw. Vergleich) lohnt es sich, genauer nachzurechnen und ggf. eine Anpassung der laufenden Zahlungen auf die neue Rechtsprechung zu vollziehen.   Weniger anzeigen

21.11.2014  Möglichkeiten bei überlanger Dauer von Gerichtsverfahren

Gerichte müssen anhängige Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung bearbeiten und bei Entscheidungsreife möglichst zeitnah abschließen. Soweit die Theorie, die aus dem im Grundgesetz geregelten Justizgewährungsanspruch abgeleitet ist.

Die Praxis sieht manchmal leider etwas anders aus, was insbesondere in Kindschaftssachen ...  Weiter lesen
Gerichte müssen anhängige Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung bearbeiten und bei Entscheidungsreife möglichst zeitnah abschließen. Soweit die Theorie, die aus dem im Grundgesetz geregelten Justizgewährungsanspruch abgeleitet ist.

Die Praxis sieht manchmal leider etwas anders aus, was insbesondere in Kindschaftssachen schlimme Folgen für das Kindeswohl haben kann. Daher hat der Gesetzgeber in § 155 Abs. 2 Satz 2 FamFG klar das sogenannte Vorrang- und Beschleunigungsgebot geregelt und bestimmt, dass das Gericht einen Verhandlungstermin spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens anberaumen soll. Jeder Elternteil, der sich Sorgen um seine Kinder macht, soll die Gewissheit haben, spätestens innerhalb eines Monats vom Gericht angehört zu werden.

In der Regel ist es den Familienrichtern selbst wichtig die anstehende Streifrage ohne zeitliche Verzögerung zu klären, schon um unnötige Folgestreitigkeiten zu verhindern. In manchen Fällen ziehen sich entsprechende Verfahren jedoch zeitlich sehr lange hin, so dass der betroffene Elternteil zu Recht fragt, ob er die lange Verfahrensdauer weiter hinnehmen muss bzw. welche Möglichkeiten er hat, dem entgegenzutreten.

Bei übermäßiger Dauer eines Gerichtsverfahrens greift in erster Linie das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 ein. Verzögert ein Richter das Verfahren unzumutbar lange, so kann der Betroffene das zunächst rügen und so dem Gericht die Möglichkeit geben, Abhilfe zu schaffen. Verzögert das Gericht trotz dieser Rüge das Verfahren dann weiter, kann in einer 2. Stufe dann klageweise eine Entschädigung von bis zu 1.200,00 € pro Jahr für die mit der Verzögerung verbundenen Nachteile verlangt werden. Im Zweifel sollte also frühzeitig eine solche Verzögerungsrüge erhoben werden.

Der betroffene Mandant wünscht zu Recht aber nicht vorrangig Zahlung einer Entschädigung, sondern Lösung seines eigentlichen rechtlichen Problems. Die übermäßige Verzögerung der gerichtlichen Entscheidung kann also auch ein Grund für die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit sein. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet solche Ablehnung dann statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richter zu rechtfertigen, z. B. wenn Erinnerungsschreiben der Beteiligten lange oder nicht beantwortet werden. Dabei kommt es darauf an, ob aus Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt eines ruhig und vernünftig denkenden Beteiligten Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit eines Richter zu zweifeln.

So hatte das OLG Dresden z. B. in einer Zugewinnsache, in der die Beteiligten zu Fragen stritten, die von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung waren und in dem der Amtsrichter 2 Jahre lang keine verfahrensfördernden Maßnahmen getroffen hatte, dem Befangenheitsantrag gegen diesen Richter stattgegeben, so dass sich ein anderer Richter mit der Sache befassen wird. Analog streng wird agiert werden müssen, wenn z. B. durch lange Verfahrensdauer eine Entfremdung der Kinder vom Vater im Umgangsverfahren droht.

Eine weitere Möglichkeit, sich zu wehren, besteht natürlich darin, eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben, insbesondere wenn von einzelnen Arbeitsweisen auch schon andere Parteien betroffen waren und ähnliche Erfahrungen machen mussten, z. B. wenn über lange Zeit hinweg nicht über den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe entschieden wurde.

Jeder seriös arbeitende Anwalt wird bei entsprechenden Problemfällen zunächst das Gespräch mit dem entsprechenden Richter suchen, um dort Abhilfe zu schaffen. Wenn dies im Einzelfall dennoch erfolglos bleiben sollte, ist es tatsächlich angezeigt, nicht weiter untätig abzuwarten, sondern die vorstehend aufgezeigten Möglichkeiten tatsächlich zu prüfen. Der betroffene Rechtsuchende soll und muss die Gewissheit haben, dass streitige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden. In den meisten Fällen wird dieser Anspruch dank engagierter Richter und Richterinnen erfüllt. In den Fällen, in denen der Betroffene jedoch das Gefühl hat, hilflos warten zu sollen oder Fragen nicht beantwortet erhält, sollte er Möglichkeiten kennen, dem entgegenzuwirken.   Weniger anzeigen

25.09.2014  Gemeinsame elterliche Sorge und Umgang – nach der Trennung wirklich gelebt?

Es hat sich herumgesprochen, dass nicht nur geschiedene Eltern im Regelfall weiter die gemeinsame elterliche Sorge ausüben, sondern seit der Sorgerechtsreform im Mai 2013 gem. § 1626 a BGB auch Väter von nichtehelichen Kindern die gemeinsame elterliche Sorge erhalten können, entweder indem einfach beide Eltern eine entsprechende Urkunde ...  Weiter lesen
Es hat sich herumgesprochen, dass nicht nur geschiedene Eltern im Regelfall weiter die gemeinsame elterliche Sorge ausüben, sondern seit der Sorgerechtsreform im Mai 2013 gem. § 1626 a BGB auch Väter von nichtehelichen Kindern die gemeinsame elterliche Sorge erhalten können, entweder indem einfach beide Eltern eine entsprechende Urkunde beim Jugendamt unterzeichnen oder das Familiengericht auf Antrag diese überträgt. Die gesetzlichen Hürden hierfür sind niedrig, so dass das Gericht dem Antrag stattgeben wird, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht und die betreuende Mutter keine triftigen Gründe vortragen kann. Wichtig ist aber natürlich in allen Fällen ein Mindestmaß an Kommunikationsfähigkeit beider Eltern, eben damit das, was eigentlich gewollt ist, in der Praxis später überhaupt funktioniert.

Was aber, wenn man zwar die gemeinsame elterliche Sorge mit der Mutter hat, auch eine klare außergerichtliche oder gerichtliche Umgangsregelung existiert, diese aber später kaum gelebt wird, weil es der Mutter – manchmal aus verletzten Gefühlen – nicht gelingt, innerlich den Kontakt der Kinder zum ehemaligen Partner/Vater des Kindes zuzulassen? Die Gründe, die als Erklärung dann gesucht und gefunden werden sind vielschichtig und füllen oft ganze Ordner. Seien wir ehrlich: Wer es will, findet solche Gründe immer. Was vergessen wird: Es sind leider die Kinderseelen, die das ausbaden. Daher wird in solchen Fällen zunehmend im gerichtlichen Verfahren für das betroffene Kind ein Verfahrenspfleger eingesetzt, der dem Kind eine Stimme verleiht, um den Eltern immer wieder zu verdeutlichen, um wen und was es tatsächlich geht, nämlich um das Wohl des Kindes.

Bedenklich sind die Fälle, in denen vom Verfahrenspfleger, gerade bei kleinen Kindern, von Anfang an „übersetzt“ wurde, dass das Kind seinen Vater beim Umgang genießt, aber nach dem Willen der Mutter erklären soll, dass es nicht zum Vater wolle. In solchen Fällen verliert so mancher Vater den Mut, erst recht, wenn er nur wenig gerichtliche Hilfe bei der Durchsetzung seines Umgangsrechtes erfährt, dabei viel Zeit ins Land geht usw. Für solche Fälle stellte der BGH in seinem Beschluss vom 19.02.2014 klar, dass ein Elternteil darauf vertrauen können muss, dass der Umgangstitel im Nachgang auch effektiv durchgesetzt wird. Im dortigen Fall war ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,00 € wegen mehrfacher Nichtgewährung des klar geregelten Umgangs beantragt worden. Die Gegenseite hatte dahingehend argumentiert, dass das 10jährige Kind den Umgang nicht wolle, ohne dies weiter detailliert zu untermauern. Der BGH stellte klar, dass diese Argumentation so nicht reiche. Die Festsetzung von Ordnungsmitteln unterbleibe nur dann, wenn der Umgangsverpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten habe. Beruft sich ein Elternteil auf den angeblich fehlenden Willen des Kindes, muss er im Einzelfall konkret darlegen, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen. Fehlt solcher Vortrag, ist also schon von vornherein von einer Pflichtverletzung auszugehen.

Diese Entscheidung erscheint bemerkenswert, denn oft erntet man bei der Frage, wie man denn versuchte, das Kind auf den Besuch beim Vater freudig vorzubereiten, nur Schulterzucken und dann die kurze nicht weiter erläuterte Erklärung: Er/Sie will ja nicht! Wenn es wirklich triftige Gründe für die Ablehnung gäbe, könnten solche ja ohne weiteres benannt werden. Natürlich äußern gerade kleine Kinder im Zweifel genau das, was der betreuende Elternteil als Antwort erwartet. Alles andere wäre ja mit ärger verbunden. Das bedeutet aber oft nicht, dass der geäußerte Wille des Kindes sein eigener wahrer Wille ist. Dieser Loyalitätskonflikt, in dem sich das Kind befindet, kann von ihm selbst unmöglich gelöst werden.

Es erscheint nach dem Willen des Gesetzgebers für das Wohl des Kindes schlicht wichtig, dass es den Umgang zum anderen Elternteil auch wirklich leben darf, selbst eigene Erfahrungen sammeln kann, statt in seinen Bedürfnissen vom anderen Elternteil oder sonstigen Personen ausgebremst zu werden. Dort, wo sich die unbegründete Blockadehaltung des anderen Elternteils nicht lösen lässt, ergeben sich oft ernsthafte Fragen zur eigenen Erziehungseignung dieses Elternteils, die dieser natürlich nicht hören möchte, die aber aus Gründen des Kindeswohls im Zweifel vom Gericht sowie sonstigen Fachleuten tatsächlich zu klären sind. Soweit sollte es möglichst nie kommen. Vielmehr wäre es wünschenswert, wenn frühzeitig Einsichten reifen würden zu unterscheiden zwischen dem, was man auf Partnerebene noch zu bewältigen hat und dem, was für die Kinder wichtig ist. Kann man das (ggf. mit fachlicher Hilfe) trennen, lassen sich umso entspannter auch später neue Situationen bewältigen.

Für die im Familienrecht tätigen Anwälte sind es immer wieder sehr befriedende Momente, wenn es nach längerer geduldiger Arbeit gelang, den Blickwinkel der Beteiligten zu ändern und diese dabei zu begleiten, respektvoll mit dem anderen Elternteil umzugehen. Am Ende profitieren an erster Stelle die Kinder, nebenbei aber auch beide Eltern.   Weniger anzeigen

17.07.2014  Folgen der „Mütterrente“ auf den Versorgungsausgleich im Rahmen der Ehescheidung

Ab und zu liest man Aufsätze, die Kopfschütteln verursachen über die Fülle von Bürokratie, die uns alltäglich begleitet. So auch dieses Wochenende, an dem uns am Ende das Endspiel der Fußball-WM euphorisierte.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 5 SGB VI werden einem Elternteil, der ein oder mehrere Kinder erzogen hat, Kindererziehungszeiten angerechnet ...  Weiter lesen
Ab und zu liest man Aufsätze, die Kopfschütteln verursachen über die Fülle von Bürokratie, die uns alltäglich begleitet. So auch dieses Wochenende, an dem uns am Ende das Endspiel der Fußball-WM euphorisierte.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 5 SGB VI werden einem Elternteil, der ein oder mehrere Kinder erzogen hat, Kindererziehungszeiten angerechnet für die ersten 36 Monate nach der Geburt. Alle Elternteile, die vor 1992 geborene Kinder haben, erhielten bisher allerdings nur Kindererziehungszeiten für ein Jahr gutgeschrieben, statt für 3 Jahre. Der Gesetzgeber wurde nun aktiv, wenn auch nur halbherzig. Nun wird die anrechenbare Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind auf 24 Monate erhöht. Weiter sollen Elternteile, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben, nun für ein Jahr Kindererziehung 1 Entgeltpunkt (0,9996) mehr an Rentenanwartschaften erhalten.

Bei noch laufenden Scheidungsverfahren wird das Gericht schlicht neue Rentenauskünfte bei der gesetzlichen Rentenversicherung einholen, um den Versorgungsausgleich auf der Basis der neuen Gesetzeslage durchzuführen. Liegt jedoch bereits eine rechtskräftige Ehescheidung vor und ggf. auch schon eine rechtskräftige Entscheidung zum Versorgungsausgleich, sieht die Sache anders aus. Dort hat es der jeweils Betroffene in der Hand, ggf. Abänderungsantrag zu stellen, jedenfalls wenn die änderung wesentlich im Sinne des § 225 Abs. 2 FamFG ist. Bei dieser Prüfungsfrage sind relative und absolute Wertgrenzen zu prüfen. Weiter ist zu beachten, dass eine Abänderung auch nur dann möglich ist, wenn die ausgleichsberechtigte Person eine für ihre Versorgung maßgebliche Wartezeit erfüllt hat.

Wichtig zu wissen ist allerdings, dass ein Abänderungsverfahren nur auf Antrag eingeleitet wird. Es ist also nicht so wie von vielen angenommen, dass das Gericht von sich aus im Nachhinein aufgrund der Gesetzesänderung die alten Entscheidungen überprüft und anpasst. Vielmehr muss hier jeder Betroffene, der sich eine Besserstellung bei Antragstellung verspricht, selbst aktiv werden.

Sicher sind solche überlegungen zumindest in den Fällen sinnvoll, in denen vor Jahren die Ehescheidung ausgesprochen wurde, damals aber der Versorgungsausgleich ausgesetzt wurde und in denen der Betroffene voraussichtlich höhere Rentenanwartschaften des anderen Ehegatten übertragen erhalten wird, als er seinerseits von seinen selbst erworbenen Anwartschaften abgeben muss. In vielen Fällen war das Aussetzen damit begründet worden, dass Ost- und Westanwartschaften wie „Äpfel und Birnen“ nicht verglichen werden können und man zuwarten müsse, bis der Gesetzgeber eine Rechenformel zum Ausgleich gefunden hat. Diese Voraussetzungen liegen jetzt vor und die Gerichte sind gehalten, alte ausgesetzte Versorgungsausgleichsverfahren nun durchzuführen.

Jeder Betroffene, der zwar geschieden ist, aber bei dem der Versorgungsausgleich damals ausgesetzt wurde oder bei dem sich jetzt das Thema Mütterrente ergibt, sollte sich im Zweifel an seinen damaligen Anwalt wenden, um konkret prüfen zu lassen, ob es für ihn „unter dem Strich“, also aus finanziellen Gründen Sinn macht, Antrag auf Abänderung der alten VA-Entscheidung zu stellen oder ob es in seinem Fall sinnvoll ist, das Gericht selbst zu drängen, nunmehr im Falle des abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahrens zügig Entscheidung zu treffen, einfach um endlich Rechtssicherheit zu erhalten, statt abzuwarten, bis die Mühlen der Justiz endlich ein Ergebnis im eigenen Fall präsentieren.

Da wir alle nicht wissen, wie viel Euro Rente später die jetzigen übertragenen Entgeltpunkte tatsächlich bedeuten werden, ist dies letztlich wichtig für die Frage der eigenen weiteren Vorsorge.

Ein tröstender Gedanke bleibt: Wir sind zum Glück nicht nur Weltmeister in der Bürokratie, sondern auch Fußballweltmeister!   Weniger anzeigen

22.05.2014  Ehevertrag – sinnvoll oder nicht?

Ein Anwalt, der in der täglichen Praxis viel mit Ehescheidungen zu tun hat, freut sich, wenn es gelang, den Betroffenen durch diese schwierige Zeit des Lebens möglichst gelassen zu begleiten und wenn der ehemalige Mandant im Nachgang anruft und freudig mitteilt, dass er beabsichtigt eine neue Ehe einzugehen. Manchmal ...  Weiter lesen
Ein Anwalt, der in der täglichen Praxis viel mit Ehescheidungen zu tun hat, freut sich, wenn es gelang, den Betroffenen durch diese schwierige Zeit des Lebens möglichst gelassen zu begleiten und wenn der ehemalige Mandant im Nachgang anruft und freudig mitteilt, dass er beabsichtigt eine neue Ehe einzugehen. Manchmal kommt dann die Frage, ob es, sozusagen als „gebranntes Kind“, Sinn macht, vor Eheschließung einen Ehevertrag abzuschließen, ob ein solcher Ehevertrag auch im Nachhinein noch möglich sei usw.

Grundsätzlich gilt die Regel, dass dies für solche Partner sinnvoll erscheint, denen bei Scheitern der Ehe auf der Basis gesetzlicher Regelungen unwägbare Risiken drohen würden, z. B. ein Unternehmen vom Zugewinn ausgenommen bleiben soll oder ein Ehegatte ein Haus mit in die Ehe einbringt, zu dessen Wert später Streit entstehen könnte.

Wenn sich z. B. eine junge Ehefrau darauf einlässt, eine sogenannte Hausfrauen-Ehe zu führen, wäre es für sie ggf. wichtig, darauf zu drängen, dass im Ehevertrag ein längerer Unterhalt geregelt wird, wenn sie im Hinblick auf die Ehe auf ein berufliches Fortkommen über Jahre hinweg bereit ist zu verzichten. Die Folgen des Scheiterns der Ehe sollten bei fairem Umgang auf beide Schultern verteilt werden, z. B. so, dass sich der künftige Ehemann in solchem Fall verpflichtet, eine längere Zeit Unterhalt zu zahlen, als vom Gesetzgeber vorgesehen. Die Zeiten, in denen Ehefrauen bei Scheitern der Ehe langjährig nachehelicher Unterhalt zugesprochen wurde, sind längst vorbei. Heute betont der Gesetzgeber die Eigenverantwortung eines jeden Ehegatten und verlangt bei Scheitern der Ehe von der Ehefrau eigene massive Anstrengungen, wieder eigene Erwerbseinkünfte zu erzielen. Dies kann sich aber wegen geänderter Arbeitsmarktlage schwierig gestalten.

Grundsätzlich sind die Ehegatten frei, ihre ehelichen Rechtsverhältnisse selbst zu regeln. Nur ausnahmsweise vertreten Familienrichter ab und zu die Auffassung, dass der Ehevertrag unwirksam sei. Einen solchen richterlichen Eingriff in Eheverträge gibt es immer dann, wenn der notarielle Ehevertrag den Schutzzweck der gesetzlichen Regelung unterläuft, also bei „Vorliegen einer evident einseitigen Lastenverteilung, die durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr gerechtfertigt sei und deren Hinnahme für den belasteten Ehegatten unzumutbar sei.“

Der juristische Laie wird sagen: „Was für ein Gummideutsch! Wann liegt ein solcher Fall denn konkret vor?“ Diese Frage ist leider tatsächlich abhängig vom Einzelfall und individuell zu beantworten. Am einfachsten lassen sich Regelungen zum Zugewinnausgleich treffen, am schwersten scheint die oft gewollte zeitliche Befristung von Unterhalt, solange eine Mutter noch das Kleinkind betreut.

Am besten ist erst einmal zu klären, welches konkrete Risiko man minimieren möchte. Danach kann in Ruhe ein Vertragsentwurf gefertigt werden, der nochmals von beiden Beteiligten eingehend geprüft werden sollte. Vorsicht ist geboten, wenn ein Ehepartner im Rahmen der Trennung von heute auf morgen vom anderen Ehepartner gedrängt wird, möglichst schnell eine notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung abzuschließen. Solche Vereinbarung ist nichts anderes als ein nachträglicher Ehevertrag, diesmal aber in der Trennungsphase. Hier sollte man in Ruhe prüfen lassen, wie der Betroffene ohne die Unterschrift unter diesen Vertrag stünde.

Im Zweifel Ruhe bewahren und sich nicht drängen lassen! Nicht selten wird in solchen Fällen argumentiert, dass der andere bereit sei, die Kosten des Notarvertrages und die Kosten der Ehescheidung allein zu zahlen. Oft ist diese vermeintliche Kostenersparnis um ein Vielfaches niedriger als die Ansprüche, auf die der andere verzichten soll.

Es ist nie zu spät einen Ehevertrag tatsächlich abzuschließen, möglich also auch während der Ehe oder in Erwartung der Ehescheidung. Erst kürzlich konnten sich zwei auswärts lebende Eheleute darauf verständigen, dass der getrenntlebende Ehemann seinen hälftigen Miteigentumsanteil am Hausgrundstück an seine Ehefrau überträgt, diese wiederum im Gegenzug trotz ihres schon recht hohen Alters den Ehemann von weiteren Unterhaltszahlungen freistellt und jeder seine Rentenanwartschaften selbst behält usw. Auf diese Weise konnten mehrere streitige gerichtliche Verfahren vermieden werden.

Dieser Artikel soll lediglich eine Anregung darstellen, auch über solche Variante des Abschlusses eines Ehevertrages schlicht nachzudenken, jedenfalls wenn die gesetzlichen Regelungen nicht oder nicht im vollen Umfang so gewünscht sind.   Weniger anzeigen

13.03.2014  Der Erbenbrief als Ergänzung zum Testament

Wenn es darum geht, was aus unserem Vermögen wird, nachdem wir einmal das Zeitliche gesegnet haben, stoßen wir auf ein Tabu. Nur jeder vierte Deutsche trifft eine letztwillige Verfügung. Selbst von den über 60-jährigen sind es nicht einmal 50%. Es mag sein, dass viele Menschen ...  Weiter lesen
Wenn es darum geht, was aus unserem Vermögen wird, nachdem wir einmal das Zeitliche gesegnet haben, stoßen wir auf ein Tabu. Nur jeder vierte Deutsche trifft eine letztwillige Verfügung. Selbst von den über 60-jährigen sind es nicht einmal 50 %. Es mag sein, dass viele Menschen solche Regelung tatsächlich nicht benötigen, da ihnen die reine gesetzliche Regelung genügt. Dort, wo jedoch Streit vorprogrammiert erscheint, bedeutet der Verzicht auf eine vernünftige Nachlassplanung aber auch nichts Anderes als reine Nachlässigkeit. Von dem genannten Viertel sind dann auch noch über 80% der Verfügungen unvernünftig, unklar, widersprüchlich oder gänzlich unwirksam. Mancher holt sich Rat in juristischer Literatur oder im Internet und übernimmt schlicht einen Mustertext beim Verfassen seines Testamentes. Nicht immer geht dies gut, da solche Mustertexte natürlich den Nachteil haben, dass sie tatsächlich nur Muster sind, die nicht unbedingt auf den jeweiligen Einzelfall zutreffen müssen. Insbesondere in Fällen, in denen potentielle Erben Sozialleistungen beziehen oder solche künftig vermutlich beziehen werden, ist dieser Weg mit Vorsicht zu genießen. Ein individuelles Testament zu verfassen, wenn das Erbe abweichend von der gesetzlichen Regelung geregelt werden soll, ist also unbedingt ein sinnvoller Gedanke. Beim Testament selbst sollte stets nüchtern und schlicht juristisch formuliert werden.

Viele Erblasser haben dann noch den Wunsch zu erläutern, welche Motive sie bei der Errichtung des Testamentes hatten. Um solche Motive zu formulieren, kann gesondert ein Erbenbrief verfasst werden. Aus dem Erbenbrief sollte jedoch klar hervorgehen, dass es sich hierbei um kein Testament handelt und dieses auch nicht zur Auslegung oder gar Anfechtung des Testamentes herangezogen werden soll. Folgendes fiktives Beispiel soll diese Möglichkeit verdeutlichen:

Ein Vater von 4 Kindern, dessen Ehefrau bereits verstorben war, wollte eines seiner vier Kinder bevorzugen und verfasste sein Testament wie folgt:

„Ich erkläre meinen letzten Willen wie folgt:

Meine Erben sollen meine vier Kinder, Willi, Otto, Renate und Annegret sein. Mein Sohn Otto erhält jedoch einen Erbanteil von 1/3. Die anderen Kinder erben zu gleichen Teilen. Als Vorausvermächtnis soll Willi meine Briefmarkensammlung erhalten, Renate dagegen das Meißner Porzellan, ohne dass beide zum Wertausgleich verpflichtet sind.“


Damit wollte der Erblasser jedenfalls Otto also besserstellen, als diesem nach der gesetzlichen Erbquote gestanden hätte. Um Diskussionen zu vermeiden, formulierte er im gesonderten Erbenbrief Folgendes:

„Liebe Kinder, wenn ihr diesen Brief nach meinem Tod lest, hoffe ich, dass ihr euch weiterhin gut vertragt und versteht, warum ich das beigefügte Testament so und nicht anders abgefasst habe. Ich habe Otto mit größerem Erbteil bedacht als euch andere Kinder, weil er mir während vieler Jahr im Geschäft geholfen hat und mich während der Krankheit unserer Mutter auch finanziell stark unterstützt hat, wie ihr alle wisst. Ich hatte euch stets alle gleich lieb, möchte jedoch diesen besonderen Beitrag von Otto auch besonders berücksichtigen, zumal ihr anderen drei Kinder in dieser Zeit in eurem beruflichen Werdegang nicht so eingeschränkt wart, wie Otto es war. Willi habe ich zusätzlich zu seinem Erbteil die Briefmarkensammlung vermacht, weil er diese gemeinsam mit mir gesammelt hatte.

Renate soll dagegen das Kaffeeservice zusätzlich bekommen, da sie es von euch allen am schwersten hat und nach ihrer Scheidung es bei ihr wirtschaftlich doch alles sehr knapp ist. Ihr seht, gerecht zu sein, ist nicht einfach. Ich habe mich aber bemüht, jedem von euch gerecht zu werden. Aus rechtlichen Gründen muss ich noch Folgendes anführen. Dieser Erbenbrief ist kein Testament und enthält auch keine letztwilligen Verfügungen juristischer Art. Er soll auch nicht zur Auslegung oder gar Anfechtung meines Testamentes herangezogen werden. Selbst wenn in diesem Erbenbrief Fehleinschätzungen zum Ausdruck kommen sollten, soll dies nichts am Testament ändern. Euer Papa …“


Nicht selten wird solche persönliche Willensäußerung für die Bedachten Grund genug sein, den Willen des Erblassers tatsächlich zu akzeptieren und rechtlich nicht dagegen vorzugehen.

Ähnlich kann und sollte auch vorgegangen werden, wenn z. B. einem der Bedachten im Wege eines „Vertrages zu Gunsten Dritter“ Sparvermögen zugewandt werden soll, von welchem die anderen nicht profitieren sollen. Häufig ist das Motiv hierfür das, dass der Betroffene den Erblasser über längere Zeit hinweg pflegte oder hauswirtschaftliche Dienstleistungen erbrachte usw. Was für den jeweils Betroffenen wirklich passt, ist und bleibt aber tatsächlich unterschiedlich und bedarf immer sorgfältiger Prüfung.   Weniger anzeigen